Singen wirkt gegen Angst, Stress und Liebeskummer

Ohne darüber nachzudenken, summen viele vor sich hin. Wenn sich der Ohrwurm plötzlich wie eine Melodie aus dem iPod im Kopf bemerkbar macht, bleibt mancher, egal wo er gerade ist, nicht mehr stumm.
Was da automatisch abläuft, „ist Balsam für die Seele“, sagt die Linzer Musiktherapeutin Katharina Fuchs.
Summen, singen, ein Instrument spielen, all das ist viel mehr als eine vergnügliche Beschäftigung. Es hat einen musikmedizinischen Hintergrund. „Im Körper passiert etwas in dem System, wo die Hormone ausgeschüttet werden“, sagt die Musiktherapeutin: „Beim gemeinsamen Singen wird ein Bindungshormon ausgeschüttet, das auch bei Mutter und Kind beim Stillen auftaucht. Dazu kommen die Glückshormone. Dieser Cocktail wirkt auch stressreduzierend.“
Aber nicht jeder hat gleich einen Chor bei der Hand, mithilfe dessen er sich so emotional aufbauen kann. Die Musiktherapeutin hat da eine Idee: In einer möglichst voll besetzten Kirche die Lieder mitsingen. „Das hilft auch vielen, die noch unsicher sind, was die eigene Stimme betrifft. Jeder ist so mit seiner Stimme beschäftigt, dass er einen anderen nicht, aber sich selbst hört.“ Sie ist überzeugt, dass jeder singen kann – wenn auch nicht so professionell wie jene Opernsänger, die in Schweden unter dem Titel „SOS Oper“ Privatkonzerte bei Einsamen oder unter Liebeskummer Leidenden machen. Das Geheimnis des Erfolges dieser Sopranistinnen und Baritons ist, dass speziell klassische Musik emotional tief berührt.
Befreiende Klänge
Am besten wirkt laut Fuchs aber immer noch das Selbersingen – auch wenn bei Liebeskummer oft auch die mit dem Verflossenen gehörten Lieder hochkommen. Sie mit der CD mitzusingen, rührt zwar momentan zu Tränen, wirkt aber auch befreiend. „Denn Musik hilft, das seelische Gleichgewicht zu finden. Weil sie uns emotional so nahe kommt, bringt sie uns auf Dinge, die uns guttun“, sagt Katharina Fuchs und fügt hinzu: „Wenn man sich nur von Musik berieseln lässt, kommt man eher nur ins Grübeln.“ Daher ist sie auch der Meinung, dass Entspannungs-CDs häufig nicht so hilfreich sind, wie die Werbung verspricht. „Man kann sein eigenes Tempo nicht bestimmen. Musik ist viel wirksamer, wenn man mehr Spielraum hat und ganzheitlich beteiligt ist.“
Im Körper spüren
Wer Gitarre spielt oder trommelt, hört nicht nur die Töne, er spürt die Schwingungen im Körper, seine Finger auf dem Instrument. Das wirkt auch gut gegen Stress, wenn man die Rhythmen selbst bestimmen und beim Spielen auch so manche Aggression hinauslassen kann.
Welche Art von Musik für welche Stimmung geeignet ist, kann Fuchs nicht sagen: „Musikrezepte kann ich nicht verschreiben.“ Das Probieren mache es aus. „Es ist alles gut, was man für sich selber tut, in allen Lebenslagen – auch nur instinktiv summen, wenn man in den Keller geht. Dabei wird die Atmung tiefer und man entspannt und kann so keine Angst spüren.“ Und die Glückshormone kommen auch noch dazu.