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"Psychische Störungen unserer Kinder nehmen zu"

Von Barbara Rohrhofer   27.Juni 2018

Kinder, die in der Schulklasse durchdrehen und von Polizei und Rettung in die Kinderpsychiatrie eingeliefert werden. Zwölfjährige, die regelmäßig Haschisch rauchen. Elfjährige, die den Schulbesuch verweigern und Tag und Nacht vor dem Computer sitzen. Für Primar Michael J. Merl, Leiter der Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters im Kepler Uniklinikum Linz, und für Kinder- und Jugendpsychiaterin Bettina Matschnig aus Wels sind diese Situationen Arbeitsalltag.

Doppelt so viele Betten gefordert

Und der ist in den vergangenen Jahren härter geworden. Die Gründe für die Zunahme der Auffälligkeiten und Störungsintensitäten sehen die Experten in einer Elterngeneration, die ihrem Nachwuchs nicht mehr genügend Stabilität und Bindungssicherheit vermittelt, sondern "bester Freund" und nicht "Mutter oder Vater" sein will. Dazu würde der enorme Einfluss der sozialen Medien kommen, der zu Beziehungs- und Empathieverlust führe. Zudem steigt die Zahl der suchtkranken Kinder und Jugendlichen stark an. Bereits sehr junge Jugendliche rauchen Haschisch. "2017 konsumierte ein Viertel unserer jugendlichen Patienten regelmäßig Drogen. Die Zahl hat sich in nur zwei Jahren verdoppelt." Diese Mischung sei explosiv und fülle die Ambulanzen, Arztpraxen und Krankenhäuser. "Die Versorgungslage für schwierige Kinder ist prekär. Die Akutpsychiatrie ist völlig überlastet, weil es nach wie vor zu wenig Betten gibt", kritisiert Merl. In Oberösterreich gibt es für betroffene Kinder und Jugendliche 54 stationäre Betten und 22 tagesklinische Plätze.

"Eine Verdoppelung ist dringend notwendig. Derzeit können wir unsere Patienten nicht mehr ordentlich behandeln, weil wir uns in der Situation einer ,Drehtür-Psychiatrie’ befinden." Die Situation bei den niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychiatern ist nicht besser. In den fünf Kassenpraxen im Land gibt es Wartezeiten von bis zu einem halben Jahr. "Manche Kollegen haben einen Aufnahmestopp", sagt Bettina Matschnig, die eine Verdoppelung der Facharztstellen fordert. Das Problem sei, dass ein Aufrüsten wegen des Ärztemangels derzeit gar nicht möglich sei. Die Kinder- und Jugendpsychiater setzen sich deshalb für eine intensivere Ausbildung von Pädagogen und Lehrern ein, damit Krisen an Ort und Stelle gelöst werden können. Auch der Einsatz von Schulsozialarbeitern wäre wünschenswert.

"Manche Kinder, die in die Jugendpsychiatrie eingeliefert werden, brauchen kein Krankenhaus, sondern Experten, die sie an Ort und Stelle beruhigen können", sagt Merl. Dazu brauche es den Ausbau von niedrigschwelligen Angeboten für Eltern und Jugendliche und regionale Zentren für Sozialpsychiatrie.

"Dass Investitionen in effektives Krisenmanagement nach dem Vorbild des Sonderkrankenhauses Zentrum Spattstraße Linz sinnvoll sind und zu weniger Aufnahmen in der Klinik führen, ist bewiesen. Damit würde man sich auf lange Sicht viel Geld ersparen, und betroffene Jugendliche könnten ein gesundes Leben führen", sagt Primar Merl.

Die Krankheitsbilder

Oberösterreichs Kinder- und Jugendpsychiater nennen die Depression als häufigste psychische Erkrankung von Oberösterreichs Kindern und Jugendlichen, gefolgt von Störungen des Sozialverhaltens, ADHS und Schulvermeidung bzw. -verweigerung.

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25. April 2024