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"Am wichtigsten ist Wertschätzung"

Von Dietlind Hebestreit   24.Februar 2014

"Ich bin blind – und das darf man auch sagen", so Constanze Hill. Die Sexualberaterin, Moderatorin und Autorin kann von Geburt an nicht sehen. Am meisten stören sie "diese ständigen Versuche politisch korrekt zu sein". Wichtiger sind ihr Offenheit und Wertschätzung. "Ich persönlich habe gerne Mehrdeutigkeiten – wie den Spruch: Auch ein blindes Huhn findet einmal ein Korn", sagt die 39-Jährige. Dass andere das vielleicht nicht so witzig finden, ist ihr klar: "Es passt das, was für beide passt." Faustregel: Der Gesprächspartner solle sich jene Sachen sparen, die er auch nicht zu Menschen ohne Behinderung sagen würde.

Unpassende Vertraulichkeiten

Dazu gehört auch das allzu vertraute Du. "Manche Menschen sind mit jedem Rollstuhlfahrer gleich per Du. Ich sage dann immer ,Woher kennen wir uns?‘", so Christoph Etzlsdorfer. Der Uni-Assistent und erfolgreiche Rollstuhlsportler sitzt seit einem Unfall im Sportunterricht im Jugendalter im Rollstuhl. "Die wenigsten Menschen im Rollstuhl haben ein Problem, darauf angeredet zu werden. Es sollte aber nicht gleich die erste Frage sein", so der 50-Jährige. Er wünscht sich, dass jeder Mensch – egal ob mit oder ohne Behinderung – mit Respekt behandelt wird. Bei sprachlichen Begriffen sei er nicht so empfindlich, es komme weniger auf die Worte als auf die Zusammenhänge an.

"Mich stört in erster Linie, wenn Menschen versuchen das Thema zu behübschen", sagt Frank Witte. Der 50-Jährige lebt mit der Diagnose Multiple Sklerose ganz gut, auch wenn er den Stock und manchmal auch den Rollstuhl als Hilfsmittel akzeptiert. Weder Begriffe wie "Rolli" noch "Handicap" findet er gut. "Viele Menschen können mit Rollstuhlfahrern nicht umgehen, haben Berührungsängste", sagt der engagierte Wahl-Rechberger, der oft ehrenamtlich – unter anderem als Gemeinderat – arbeitet.

Rollstuhl kann Befreiung sein

Ein großes Anliegen ist die passende Sprache dem Journalisten Manfred Fischer aus Ostermiething. Begriffe wie "an den Rollstuhl gefesselt" oder "unter einer Behinderung leiden" sind ihm zu negativ. "Für mich zum Beispiel war der Rollstuhl eine Befreiung, brachte mir wieder Mobilität. Vorher bin ich mit Krücken gegangen. Man leidet auch nicht ununterbrochen", sagt der 52-Jährige. Statt "Behinderter" bevorzugt er die Bezeichnung "Mensch mit Behinderung" – weil da der Mensch im Mittelpunkt steht. "Worte vermitteln Bilder im Kopf", ist er fest davon überzeugt, dass Begriffe prägen.

Das sieht auch Gunther Trübswasser so. Der Vorsitzende von SOS-Mitmensch und Landtagsabgeordnete außer Dienst zieht zum Beispiel den Begriff "Menschen mit Behinderung" der Formulierung "mit besonderen Bedürfnissen" vor, denn "die hat schließlich jeder". Er wünscht sich normale Begegnungen – in der Arbeitswelt, im Privatleben, in der Schule, im öffentlichen Verkehr.

 

Zitiert

"Menschen im Rollstuhl können sich fast immer selbst ausdrücken. Sie brauchen keinen Sprecher oder Dolmetscher.“
Gunther Trübswasser, Vorsitzender von SOS-Mitmensch

„Alte Floskeln wie ,an den Rollstuhl gefesselt’ oder ,Krüppel’ hört man kaum noch. Es kommt aber ohnehin mehr auf Zusammenhang und Tonfall an.“
Christoph Etzlsdorfer, Uni-Assistent, Rollstuhlsportler

„Wenn Leute bei Menschen mit Behinderung wegschauen, zeigt das oft ihre Unsicherheit. Man sollte den Betroffenen fragen, ob er Hilfe braucht – aber nicht einfach ungefragt zupacken.“
Manfred Fischer, Freier Journalist

„Obwohl ich blind bin verwende ich Begriffe wie ,da hab ich nicht genau geschaut’ oder ,das sehe ich anders’. Ich freue mich am meisten, wenn Leute sagen, sie denken nicht mehr daran, dass ich blind bin.“
Constanze Hill, Moderatorin

„Ich finde es falsch, wenn man groß herumredet. Behindert: Das trifft den Kern der Sache. Um das auszudrücken brauche ich keinen Begriff wie ,Handicap’ aus der Golfsprache.“
Frank Witte, Pensionist, Gemeinderat

 

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25. April 2024