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"Es war ein majestätischer Moment"

Von Bernhard Lichtenberger, 22. August 2015, 00:04 Uhr

Gerlinde Kaltenbrunner hatte einen Traum. Am 23. August 2011 erfüllte er sich. Als erste Frau hatte sie alle 14 Achttausender ohne zusätzlichen Sauerstoff bestiegen.

  • Gerlinde Kaltenbrunner hatte einen Traum. Am 23. August 2011 erfüllte er sich. Als erste Frau hatte sie alle 14 Achttausender ohne zusätzlichen Sauerstoff bestiegen. 
  • Der K2 hat es der Oberösterreicherin besonders angetan - ihn hatte sie einige Male vergeblich versucht zu besteigen.

Alle 14 Achttausender

Es war 18.18 Uhr Ortszeit, als die Bergsteigerin aus Spital am Pyhrn jenes Ziel erreichte, das sie trotz Rückschlägen über Jahre konsequent verfolgt hatte: den Gipfel des 8611 Meter hohen K2 im Karakorum. "In der Abendsonne hat alles geleuchtet. Das war ein majestätischer Moment. Ich habe geweint und bin eine Viertelstunde nur oben gestanden und habe gestaunt", schilderte Gerlinde Kaltenbrunner damals jenen Augenblick, der sie zur ersten Frau machte, die alle 14 Achttausender ohne Hilfe von zusätzlichem Sauerstoff bestiegen hat.

Dem Pfarrer sei Dank

Dort, wo die Luft dünn ist, sich bitterkalte Nächte und betörende Sonnenaufgänge ablösen, Tragödie und Glück nah beieinander liegen, hat die 44-jährige Oberösterreicherin ihr Leben gefunden. Den Einstieg in die Welt der höchsten Berge zeigte ihr der Spitaler Pfarrer Erich Tischler, der das junge Dirndl nach der Sonntagsmesse auf zahlreiche Bergtouren mitnahm. Als 13-Jährige wagte sich Gerlinde Kaltenbrunner an ihre erste leichte Kletterpartie am Sturzhahn (2031 Meter) im Toten Gebirge. Als 23-Jährige überschritt sie erstmals die magische Grenze, als sie es auf den 8027 Meter hohen Vorgipfel des Broad Peak in Pakistan schaffte – der nur um 20 Meter höhere Hauptgipfel wurde 2007 nachgeholt.

Wer wie die Profi-Alpinistin, die davor Krankenschwester war, in die Höhe drängt, erfährt auch Tiefen. Am K2, der als schwierigster Achttausender gilt und der bisher mehr als 80 Menschenleben gefordert hat, versuchte sie sich mehrmals vergeblich. Sturm, Kälte und Lawinen zwangen zur Umkehr. 2010 stürzte ihr schwedischer Bergpartner Fredrik Ericsson an ihr vorbei 1000 Meter in den Tod. "Aber die Liebe zu diesem Berg ging mir nie verloren. Er ist ein kraftvoller Anblick", sagte Kaltenbrunner nach der erfolgreichen Besteigung vor vier Jahren.

Eine dunkle Stunde erlebte die Oberösterreicherin am Muttertag des Jahres 2007 in 6650 Metern Höhe am nepalesischen Achttausender Dhaulagiri. In den frühen Morgenstunden beginnt es so arg zu stürmen, dass es unmöglich wird, das Zelt zu verlassen. Durch Windverfrachtung löst sich ein Schneebrett, das zwei Zelte mitreißt. Gerlinde Kaltenbrunner kann sich aus den Schneemassen befreien. Gemeinsam mit einem Spanier, dessen Unterschlupf verschont geblieben ist, gräbt sie verzweifelt nach seinen Landsmännern. Sie liegen unter zwei Meter Schnee. Wie einbetoniert. Tot.

Mit den Achttausendern hat die Spitalerin abgeschlossen. "Ich bin oft an die Grenze gegangen, ein falscher Schritt, und ich wäre heute nicht mehr da. Ich habe oft Glück und Beistand gehabt, und jetzt reicht es", sagt sie.

Die Natur der Heimat hat sie nie aus den Augen verloren. Zum umstrittenen Plan einer Tunnelverbindung zwischen den Skigebieten Wurzeralm und Hinterstoder hält sie mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg: "Wozu braucht man einen Tunnel mit Riesenparkplatz im Loigistal inmitten einer großartigen Bergkulisse, mit dem eine der schönsten Ecken im Stodertal für immer zerstört würde?

Kaltenbrunners Achttausender

Das waren ihre Stationen auf dem Weg nach zum ganz großen Rekord:

  • 6. Mai 1998: Cho Oyu, 8201 m, Nepal
  • 14. Mai 2001: Makalu, 8463 m, Nepal
  • 10. Mai 2002: Manaslu, 8163 m, Nepal
  • 20. Juni 2003: Nanga Parbat, 8125 m, Pakistan
  • 28. Mai 2004: Annapurna, 8091 m, Nepal
  • 25. Juli 2004: Gasherbrum I, 8068 m, Pakistan
  • 7. Mai 2005: Shisha Pangma, 8013 m, Tibet
  • 21. Juli 2005: Gasherbrum II, 8035 m, Pakistan
  • 14. Mai 2006: Kangchendzönga, 8595 m, Nepal
  • 12. Juli 2007: Broad Peak, 8047 m, Pakistan
  • 1. Mai 2008: Dhaulagiri, 8167 m, Nepal
  • 20. Mai 2009: Lhotse, 8516 m, Nepal
  • 24. Mai 2010: Mount Everest, 8848 m, Nepal
  • 23. August 2011: K2, 8611 m, Pakistan
Gerlinde Kaltenbrunner ist auch Mostdipf-Preisträgerin. Bild: OON

 

Original-Interview

„Mein Lebenstraum hat sich erfüllt“

OÖN-Redakteur Philipp Hirsch interviewte Gerlinde Kaltenbrunner am Tag nach ihrem Rekord. Hier das Original-Interview:

CHINA. Die Stimme klingt müde aber dennoch enthusiastisch:Gerlinde Kaltenbrunner beantwortet gestern erstmalig nach ihrem Rekord die Fragen der OÖNachrichten. Im Telefoninterview spricht sie von Strapazen und Glücksgefühlen.

  1. Erst Ihre vierte Expedition führte Sie bis auf den Gipfel. Der K2 hat Ihnen nichts geschenkt. Wie sind Ihre Gefühle gegenüber dem Berg heute?

    Kaltenbrunner: Ich sitze gerade auf einem Stein und habe den Gipfel vor mir. Die Liebe zu diesem Berg ging mir nie verloren. Er ist ein kraftvoller Anblick.
  2. Was war Ihr erster Gedanke auf dem Gipfel?


    Unbeschreibbare Gefühle. Worte reichen dafür einfach nicht. Es war ein majestätischer Moment. Mein Lebenstraum hat sich erfüllt.
  3. Ab wann war Ihnen klar, dass Sie es schaffen werden?


    Unsere letzte Etappe ging von 8300 Metern auf den Gipfel. Wir sind bei perfekten Wetter gestartet. Wir tasteten uns an den Felsen entlang um die Lawinengefahr zu minimieren. Oft mussten wir uns einen neuen Weg suchen, weil es einfach nicht mehr weiterging. Ich war die ganze Zeit mit Ralf über Funk in Kontakt. Er gab mir große Zuversicht. Als wir den Gipfelgrat erreichten, habe ich gedacht, dass wir es schaffen können.
  4. Wie geht es Ihnen heute?


    Ich bin sehr müde und erschöpft. Das Team war einfach unglaublich stark. Anfänglich hatten wir Zweifel, ob so eine kleine Expedition an so einem großen Berg bestehen kann.
  5. Wie konnten Sie sich immer wieder motivieren, trotz der widrigen Verhältnisse weiter aufzusteigen?

    Ich hatte bei dieser Expedition von Beginn an ein gutes Gefühl. Die Nordseite des K2 war für mich Neuland. Es hat mich motiviert, überhaupt dort sein zu dürfen. Meinen Mann habe ich allerdings beim Aufstieg vermisst.
  6. Warum haben Sie sich für den Aufstieg über den sehr schwierigen Nordpfeiler entschieden?

    Nachdem die ersten Versuche über die Cesen-Route gescheitert waren, war es mein Wunsch, es von der anderen Seite zu versuchen.
  7. Im Jahr 2009 verloren Sie Ihren Freund und Kollegen Fredrik Ericsson am K2. Haben Sie am Gipfel an ihn gedacht?

    Seine Absturzstelle ist von oben gut zu erkennen. In meinem Herzen war Fredrik mit auf dem K2.
  8. Kein Österreicher hat vor Ihnen alle 14 Achttausender bestiegen. Nur 28 Menschen auf der Welt haben dieses Kunststück geschafft. Was bedeutet es für Sie Mitglied in diesem exklusiven Club zu sein?

    Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Ich freue mich, dass ich es geschafft habe und gesund wieder runtergekommen bin.
  9. Auch bei dieser Expedition machte es Ihnen das Wetter nicht immer leicht. Haben Sie darüber nachgedacht umzukehren?

    Wir haben immer wieder überlegt und probiert das Risiko einzuschätzen. Hätten die Zweifel überwogen, wären wir zurückgegangen. Das Risiko schien uns aber vertretbar.
  10. Ihr Abstieg zog sich bis in die Nacht hinein. Kälte, wenig Sauerstoff und auch noch die Dunkelheit. Gab es Schwierigkeiten?

    Der Abstieg war sehr fordernd. Uns war von Anfang an klar, dass wir wahrscheinlich bis in die Nacht hinein brauchen würden. Wir hatten Stirnlampen und Reservebatterien mitgenommen. Wir gingen sehr langsam, wählten unsere Schritte mit Bedacht.
  11. Seit drei Jahren war es vor Ihnen niemandem mehr gelungen den K2 zu besteigen. Ist der Berg in den vergangenen Jahren schwieriger geworden?

    Der Berg ist sehr wetteranfällig. Ich glaube, es wird stets Jahre geben, in denen er niemanden rauf lässt. Auch die Felsstürze machen es immer schwieriger.
  12. Sie sagten, dass Sie sich Ihren Lebenstraum erfüllt haben. Fürchten Sie in ein Loch zu fallen, weil Sie alles erreicht haben?

    Es werden sich andere Ziele auftun. Ich und mein Mann haben noch viel vor – mehr verrate ich dazu nicht.
  13. Können Sie sich vorstellen, an den K2 für eine Zweitbesteigung zurückzukehren?

    Eigentlich nicht. Es hat mich sehr erfüllt, auf dem Gipfel zu stehen, aber ein zweites Mal werde ich das wohl nicht mehr erleben. Von unten werde ich den K2 aber bestimmt wieder bestaunen.
  14. Wie war das Wiedersehen mit Ihrem Mann im Basislager?


    Es war das Allergrößte. Zum Feiern sind wir allerdings momentan noch zu müde. Das haben wir auf später verschoben.

Legenden

 

Oberösterreichische Achttausender-Legenden

 

  • Sepp Larch (1930–2011):

In den 1950er Jahren gehörte der Weyrer zur Weltelite des Alpinismus. Er ist der einzige Oberösterreicher, dem die Erstbegehung eines Achttausenders glückte. Am
7. Juli stand Larch mit Fritz Moravec und Hans Willenpart auf dem 8035 Meter hohen Gasherbrum II.

  • Sepp Hinding (geb. 1948)

Als erster Oberösterreicher stand der Weyrer 1995 als Mitglied der „100 Jahre Naturfreunde“-Expedition auf dem Mount Everest. Hinding erreichte vier weitere Achttausender-Gipfel: Manaslu, Cho Oyu, Shisha Pangma und Gasherbrum II.

  • Rudi Wurzer (geb. 1932)

Der in Waldhausen geborene Bergsteiger setzte am 23. August 1978 als Leiter der oberösterreichischen Naturfreunde-Expedition auf den Nanga Parbat einen Meilenstein – die Erstbegehung der Diamir-Flanke über eine Variante der Kinshofer-Route von 1962.

  • Willi Bauer (geb. 1942)

Der Seewalchener erreichte mit Rudi Wurzer 1978 den Nanga-Parbat-Gipfel. Seinen K2-Erfolg 1986 überschattete eine Tragödie: 13 Menschen starben am zweithöchsten Berg der Welt, nur Bauer und der gebürtige Villacher Kurt Diemberger überlebten knapp.

  • Edi Koblmüller (1946–2015)

Der Linzer, der für das Bergsteigen lebte, schaffte 1978 mit Alois Furtner die Erstbegehung der Cho-Oyu-Südostwand. Weitere Achttausender: Nanga Parbat, Dhaulagiri, Shisha Pangma, Broad Peak. Koblmüller erfror heuer bei einer Skitour am Kasbek in Georgien.

 

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