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Freibäder – Wandel und Zukunft

Von Manfred Wolf, 29. Juni 2019, 00:04 Uhr
Freibäder – Wandel und Zukunft
Hinein ins kühle Nass Bild: Weihbold

Noch vor 30 Jahren kam an heißen Tagen kaum jemand an einem Freibad vorbei. Heute wird in Pools, Flüssen und Seen gebadet – zudem ist das Freizeitangebot wesentlich größer. Das Freibad, als einstiges Flaggschiff des kommunalen Freizeitangebots, befindet sich in finanziell turbulenten Gewässern. Warum diese Institution nach wie vor enorm wichtig ist, weiß der Freizeitforscher Peter Zellmann.

Sonne, Schatten, schwimmen – diese drei "S" prägen seit Jahrzehnten den Sommer im Freibad, daran hat sich bis heute nichts geändert. Vielleicht ist noch ein viertes "S" dazugekommen: Smartphone. Seit Generationen pilgern die Menschen in die Freibäder, wirklich rentabel waren diese jedoch nie. Das ist auch der Grund, warum vermehrt über vielen Bädern das Damoklesschwert eines weiteren "S" schwebt: Schließung.

Vor zwei Jahren wurde auf Antrag der Grünen die "Bäderstudie" außer Kraft gesetzt, die vorsah, die 144 Freibäder sowie 86 Natur- und Strandbäder Oberösterreichs auf insgesamt 100 zu reduzieren. Die Trockenlegung einiger Bäder ist dennoch nicht vom Tisch: Im Sanierungsfall müsste, will eine Gemeinde Landesgelder lukrieren, der Betrieb ab 2021 zur Hälfte kostendeckend sein. Ein Quote, die kaum ein Freibad erfüllen kann. In einigen Gemeinden, wie Pabneukrichen (Mühlviertel) und Obernberg am Inn (Innviertel), wurde die Bevölkerung selbst tätig. Mit Spenden, Sanierung in Eigenregie, Freibadfest … und natürlich Preiserhöhung sollen die Bäder erhalten werden.

Warum es dieser Initiativen künftig viel mehr bedarf und warum Freibäder so wichtig sind, vor allem in Zeiten, in denen jedes dritte Kind nicht mehr schwimmen kann, weiß Freizeitforscher Peter Zellmann.

Peter Zellmann ist Freizeitforscher und leitet das Institut für Freizeit- und Tourismusforschung in Wien. Im OÖN-Gespräch erklärt er, welche bedeutende Rolle den Freibädern zukommt, warum sie wichtig sind, aber auch, was nötig ist, diese zu erhalten.

Freibäder – Wandel und Zukunft
Bild: Weihbold

OÖN: Sind Sie ein Freibadgeher?

Zellmann: Wir Großstädter gehen im Sommer doch das eine oder andere mal ins Freibad – wenn man nicht seinen eigenen Swimmingpool hat.

Privat, oder interessiert Sie, wie sich die Menschen verhalten?

Ich bin nie ganz außerberuflich. Ich beobachte, wie sich Thesen in der Praxis erhärten. Thesen, die man nicht bewiesen sieht, kann man nicht aufrechterhalten. Das ist das Schöne an der empirischen Sozialforschung: Man sieht täglich, was funktioniert und was nicht. Machen die Menschen das, was man ihnen unterstellt, oder verhalten sie sich ganz anders?

Was hat sich diesbezüglich in den vergangenen Jahrzehnten im Freibad verändert?

Außer der Mode nicht viel. Schwimmen und baden gehört zu den fünf beliebtesten Freizeitbeschäftigungen der Österreicher. Das Grundelement, nämlich in der Wiese liegen, ein Buch lesen, Sonnenschirm, dann und wann ins Wasser gehen, das war vor 50 Jahren so, und das wird auch so bleiben. Was aber auffällt, ist, dass die Menschen weniger mitbringen.

Also nicht mehr wie früher, mit vollgepackter Kühlbox ins Bad?

Genau, die Menschen besuchen das Baderestaurant, haben mehr Geld. Das Sparen wie in den 1950er- und 1960er-Jahren ist Gott sei Dank vorbei.

Freibäder sind vor allem für Kinder und Jugendliche wichtig. Sie lernen schwimmen, treffen Freunde, können auf sich aufmerksam machen, zeigen, was sie können, beispielsweise beim Turmspringen.

Hier sind Kinder und Jugendliche unter sich. Es gibt Spiel, Spaß in relativer Freiheit einer Gruppe. Allerdings war das in den 1960er- und 1970er-Jahren mehr. Noch vor 30, 40 Jahren gab es im Sommer zum Freibad wenig Alternativen. Heute gibt es ein breiteres Sportangebot, es gibt Mountainbikes, klettern … auch das passive Verhalten, also Computer spielen, hat zugenommen. Das saugt ein wenig Potenzial an Badegästen ab. Aber das sind graduelle und keine prinzipiellen Unterschiede im Verhalten der Menschen.

Vor allem für die Jungen sind Bäder auch Kommunikationszentren.

Das, was im Winter die Disco ist, also ein Jugendtreff, das ist im Sommer das Freibad. In erster Linie ist ein Bad ein Kommunikationstreff, in zweiter Linie geht es um den Badespaß. Deswegen sind Bäder für junge Leute unverzichtbar. Hier können Grenzen ausgelotet werden, das ungebundene, freie, wilde Bewegen ist noch möglich. Das ist aus gesundheitlicher, sportlicher und pädagogischer Sicht wichtig.

Freibad im Wandel
Bild: Weihbold

Welche Rolle spielt das Freibad bei Integration und einer Durchmischung der Gesellschaftsschichten?

Der Freizeitbereich ist insgesamt ein Integrationsraum – viel mehr als die Schule und der Arbeitsbereich. Das wird von der Integrationspolitik viel zu wenig erkannt und gefördert. So entsteht in diesen Freiräumen sogar eher eine Polarisierung beziehungsweise Abschottung. Statt diesen Raum gezielt proaktiv zu nützen, wird er häufig sich selbst überlassen und erzeugt auf diesem Weg oft sogar Konfliktpotenzial.

Nun sind einige Bäder von der Schließung bedroht. Sie sind schlicht schwer bis unmöglich gewinnbringend zu führen.

Das war früher auch so. Frei- und Hallenbäder hatten immer Sorgen, was die Betriebskosten und den Cashflow betrifft, und werden es immer haben. Wenn man von Erlebnisbädern absieht, die in den 1990er-Jahren entstanden sind, die sind etwas anderes.

Wurde früher mehr Wert darauf gelegt, dass die Menschen die Angebote nützen können?

Sicher. Es hat ja eine Kommerzialisierung der Freizeit eingesetzt. Früher gab es weniger Alternativen. Bäder waren Einrichtungen für die breite Masse. So wie man früher geschaut hat, dass sich jeder das Skifahren leisten konnte, sollte jeder im Sommer baden gehen. Das waren in den 1960er- und 1970er-Jahren die Freizeitaktivitäten. Im Zuge der Kommerzialisierung, der Erhöhung des Angebotes, sind rein kommerzielle Alternativen entstanden, die umso mehr Druck auf öffentliche Einrichtungen ausüben. Damit sind für die gehobene Mittelschicht in allen Bereichen teurere und höherwertige Angebote entstanden, die nicht die Notwendigkeit von preisgünstigen Einrichtungen abgelöst haben, aber diese umso mehr unter Druck gebracht haben, weil dort jetzt weniger Menschen ihre Freizeit verbringen.

Damals hat sich die öffentliche Hand eine breite Abdeckung mit Bädern geleistet. Es gibt Regionen, in denen zig Nachbarorte jeweils ein Freibad haben. Zu viel?

In den ländlichen Regionen ist der Bedarf gegeben, in der Stadt gibt es eine Unterversorgung, hier sind die Bäder an den Hitzetagen übervölkert, an solchen Tagen ist die Nachfrage ungebrochen. Nur an den halbwegs schönen Tagen gibt es Alternativen zum Bad. Dass sich jede Gemeinde als Freizeitstandort ein Freibad leisten will, das war bis in die 1990er-Jahre eine Selbstverständlichkeit. Aber die betriebswirtschaftlichen Vorgaben für die öffentliche Hand werden ohnedies diesbezüglich ein Freibadsterben in den kleinen Orten mit sich bringen, das ist eine Entwicklung, die abzusehen ist. Man ist ja heute mobiler, wenn in den Regionen drei Bäder zu einem Einzugsbereich zusammenlegt werden – und auch die Ressourcen –, dann ist das kein Nachteil für die Bevölkerung.

Wird ein Freibad geschlossen, fällt für die Bewohner eines Ortes eine wichtige soziale und kommunale Einrichtung weg.

Lebensstile ändern sich, damit müssen sich die Angebote ändern. Die privaten Anbieter, ebenso wie die öffentlichen, sind immer gefragt, besser als das bisher der Fall war, die Bedürfnislage der Menschen zu erfassen. Das ist ja das Problem, es wird immer alles topdown vorgegeben. Es gibt Masterpläne, und man glaubt zu wissen, was die Menschen wollen. In Wahrheit ist das aber von Region zu Region verschieden, es gibt keine Patentrezepte. Der Kontakt mit der Bevölkerung – gemeindeübergreifend – ist etwas, das im Zeitalter der Digitalisierung leicht möglich ist, nämlich die repräsentative Meinung der Betroffenen einzuholen und die Planung danach auszurichten und nicht nach rein kommerziellen Interessen oder Masterplänen, denn die gehen ja manchmal an der Bedürfnislage der Menschen vorbei.

Wenn Sie die Frage stellen: "Brauchen wir ein Freibad?", kann ich Ihnen sagen, wie die Antwort lautet.

Das ist wie beim Dorfwirt. Fragt man die Menschen, was sie wollen, dann sind sie maßlos. Wollen sie verzichten? Nein! Dass sie selbst aber durch die Wahl, die sie treffen, den Markt beeinflussen, das nehmen die Menschen zu wenig zur Kenntnis. Es ist eben gefährlich, nur zu fragen: "Wollt ihr das, wollt ihr das nicht?" Man muss die Fragen anders formulieren: "Bist du bereit, dafür auch etwas zu bezahlen?" Es kostet eben Geld, das Freibad und das, was Tradition hat und Gewohnheit ist, zu erhalten. Man muss die Menschen auch in die Pflicht nehmen, und die Gemeinschaft muss auch die Finanzierung gewährleisten.

Also frei nach John F. Kennedy "Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann, fragt, was ihr für euer Land tun könnt"?

Was kann ich für mich tun, nicht nur für mein "Land". Was muss ich beitragen. Das ist ja keine Einbahnstraße, natürlich muss die öffentliche Hand auch etwas für die Menschen tun. Der Satz von Kennedy erscheint mir zu einseitig. Wenn man ihn als "auch" formuliert, dann ist es richtig, du musst fragen: "Was kann ich für die Gemeinschaft tun?" Es ist vernünftig, besonders in der Freizeit, an sich zu denken. Aber in einem zweiten Schritt muss ich mich auch fragen, was ich bereit bin, dafür auszugeben oder an einem Gemeinschaftsangebot wie Freibad beizutragen. Und wenn dann alle so denken, dann sind es eben Gemeindesteuern, die das Bad erhalten. Oder freiwillige Spenden, oder die Eintrittspreise werden höher. Aber dieses Bewusstsein, alle diese Einrichtungen müssen erhalten werden, das ist eine wichtige Erziehungsaufgabe.

In Oberösterreich gibt es Beispiele, wo die Bevölkerung, um Bäder zu retten, aktiv wurde, beim Sanieren half, Feste zur Finanzierung organisierte …

Das ist die Zusammenfassung dessen, was wir besprochen haben. Dass man als Gemeinschaft fragt, was wollen wir zusammen haben, und wie viele Leute tun sich zusammen und ermöglichen das. Die gute alte Vereins- oder Genossenschaftsidee, die aber darauf beruht, dass man es auch gemeinsam erhält. Nennen Sie es Gemeinwohlökonomie … oder Crowdfunding. In die Richtung geht ja ohnedies die gesellschaftliche Entwicklung. Nachdem die Kommerzialisierung immer teurer wird und Richtung Luxus geht, braucht man an der Basis ein Angebot, wo es legitim ist, zu sagen, selbsterhalten muss es sich schon. Und wenn die öffentliche Hand dann eine Fixsumme zuschießt, aber nicht automatisch den Abgang deckt, dann ist das eine vernünftige Entwicklung, die nicht nur für die Freibäder gilt.

Bei Freibädern wird ohne öffentliche Hand nichts gehen. Denkt man in Regionen, wird es nicht so schlimm sein, wenn eines von mehreren Bädern schließt, was aber, wenn es rundherum kein Bad gibt?

Das gilt es zu verhindern. Da muss man auch Unterschiede machen, also nicht mit der Gießkanne, sondern dort, wo es wirklich notwendig ist, ordentlich fördern.

Was vor 30 Jahren eher undenkbar war, nämlich auch die Donau und andere Bäche zum Baden zu nützen, rückt wieder in den Vordergrund. Liegt das daran, dass zum einen die Wasserqualität besser geworden ist und zum anderen die Menschen die Natur wieder entdecken?

Sie haben die Frage selbst beantwortet. Outdoor- und Naturorientierung, also ein Ökologiebewusstsein, sind Trends in den Lebensstilen und im Freizeitverhalten der Bevölkerung. Naturverständnis und Umweltbewusstsein nehmen, besonders bei jungen Menschen, zu. Die Natur wird zunehmend zum Erlebnisraum, der Naturraum zum Sportplatz. Das gilt selbstverständlich im besonderen Maß für Wasserflächen.

Autor
Manfred Wolf
Ressortleiter Lokales
Manfred Wolf
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