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Picknick-Zeit

Von Christian Satorius, 24. Mai 2019, 17:56 Uhr
Picknick-Zeit
(Symbolfoto) Bild: colourbox.com

Ob am Strand, in der Wiese oder auf der Parkbank - ein Picknick geht immer und erlebt vor allem im urbanen Bereich ein Revival. Entstanden ist es im 17. Jahrhundert.

Wenn das Picknick nun keine typisch britische Erfindung wäre, was dann? Die Engländer sind es schließlich, die auf der ganzen Welt dafür bekannt sind, dass sie immer und überall picknicken können: beim Kricket, beim Pferderennen, ja, früher sogar am Rande des Schlachtfeldes und auf dem Friedhof. Mehr als ein paar wärmende Sonnenstrahlen, eine Decke und reichlich gute Laune brauchen sie dazu nicht. Naja, außer vielleicht ein paar Sandwiches, ein bisschen Lachspastete und natürlich jede Menge Champagner.

Doch es könnte gut sein, dass das Picknick, diese typisch britische Institution, gar keine englische Erfindung ist. Das zumindest meinen einige Historiker. Sie verweisen auf einen Eintrag in der französischen Sprachabhandlung "Les origines de la langue française" von 1650. Demzufolge käme zumindest das Wort "Picknick" vom französischen "pique nique", was so viel bedeutet wie "eine Kleinigkeit aufpicken". Damit wäre zumindest schon einmal klargestellt, dass ein Picknick sehr viel mehr ist als nur eine bloße Nahrungsaufnahme unter freiem Himmel. Ein Picknick ist pure Sinnenfreude, ein Vergnügen, zu dem man sich ganz bewusst im Grünen verabredet. Es vereint den Müßiggang mit anregenden Gesprächen und stilvollem Genuss.

Früher gehörten manchmal auch Musik und Tanz dazu, was in einigen Ländern auch heute noch so ist. Aus genau diesen Gründen war das Picknick auch lange nur dem Adel vorbehalten, denn wer sonst hatte dereinst schon die Zeit und das Geld, sich derartigen Vergnügungen hinzugeben?

Nach der Jagd kam das Picknick

Historiker gehen heute auch davon aus, dass die Wurzeln des Picknicks wohl in den aristokratischen Jagdgesellschaften zu suchen sind. Wenn die Hochwohlgeborenen nach der Jagd etwas Entspannung suchten und natürlich auch etwas essen und trinken wollten, dann wurde ganz selbstverständlich direkt vor Ort mitten im Grünen aufgetischt. Und natürlich gelüstete es den Blaublütern danach, möglichst stilvoll zu speisen und sich dabei auch noch zu amüsieren. Im Stehen eben schnell eine trockene Scheibe Brot mit einem Schluck Wasser hinunterzuspülen, ging gar nicht. Und weil das Ganze in Adelskreisen so gut ankam, wurde es dort zu einer regelrechten Mode, sagen Experten.

In der Renaissance eiferten dann auch immer mehr reiche Kaufleute dem Adel nach. "Am Ende des 17. Jahrhunderts setzte eine regelrechte Stadtflucht ein", meint die Ethnologin Caroline Mame de Beaurepaire vom "Institut français du goût". "Die Luft war dort so unerträglich schlecht." Die Französische Revolution machte dann die königlichen Gärten, Parkanlagen und Wälder auch den ganz normalen Bürgern zugänglich und das nicht nur in Frankreich. Im Zuge der Industrialisierung konnten sich bald immer mehr Menschen die kleine Flucht ins Grüne leisten. Das war auch bitter nötig, denn die Städte erstickten damals in Smog und Dreck. Kein Wunder also, dass Picknicks ausgerechnet in England, der Wiege der Industrialisierung, immer beliebter wurden.

"Picknicks kamen zur Regierungszeit Königin Victorias ganz groß in Mode", weiß die australische Kulturhistorikerin Diana Noyce. Die Queen ging selbst mit gutem Beispiel voran und picknickte wann immer und wo immer es nur ging. Die britische High Society zog nach und speiste bei gesellschaftlichen Ereignissen wie etwa dem Derby von Epsom, der Regatta von Henley oder auch beim Kricket in Harrow und Eton stilvoll unter freiem Himmel.

Am Rande des Schlachtfeldes

Aber damit nicht genug: Bald fanden sich die Picknick-Gesellschaften auch in den großen Kriegsschauplätzen der Zeit ein. Die Napoleonischen Kriege, der Amerikanische Bürgerkrieg, vor allem aber auch der Krimkrieg 1853 bis 1856 wurden ausgiebig zum Picknicken genutzt. Ausgerüstet mit Picknick-Korb und Fernstecher amüsierte man sich am Rande des Schlachtfeldes mit Gänseleberpastete und Schildkrötensuppe, während in unmittelbarer Sichtweite Freund und Feind ihr Leben ließen. Feinkosthersteller aus aller Welt reisten auf die Krim, damit es den Picknickern auch ja an nichts fehlte. "Die Damen genossen das Vergnügen sehr", schwärmte Captain Robert Portal vom Vierten Leichten Dragoner-Regiment damals in einem Brief an seine Schwester. Die moderne Kriegsführung verhinderte derartige Eskapaden dann aber zunehmend in der Folgezeit.

Um die Jahrhundertwende herum kündigte sich eine neue Erfindung an, die das Picknicken revolutionieren sollte: die Thermoskanne. 1903 ließ sich der deutsche Glasbläser Reinhold Burger die Isolierflasche mitsamt Trinkbecher patentieren, die damals noch mit einem Korkverschluss ausgestattet war. Damit war es nun erstmals möglich, heiße Getränke und Speisen mitzunehmen. Der kleine Kocher, der bis dahin Bestandteil vieler Picknick-Körbe war, konnte von nun an zu Hause bleiben. Immer öfter leistete sich jetzt auch Otto Normalverbraucher sein Picknick, nachdem die neuen Transportmittel Eisenbahn, Dampfschiff, später auch Fahrrad und Automobil die Preise für einen Abstecher ins Grüne immer mehr purzeln ließen. Nach dem Zweiten Weltkrieg griff die Begeisterung für das gute alte Picknick schnell wieder um sich. Auf der bald schon obligatorischen Urlaubsfahrt in wärmere Gefilde wurde ganz selbstverständlich am Wegesrand Rast gemacht und ausgiebig gepicknickt.

Heute machen es die modernen All-inclusive-Pauschalreisen und öffentlichen Grillplätze dem Picknick nicht ganz leicht. Aber eigentlich war ein Picknick ja schon immer sehr viel mehr als nur eine einfache Mahlzeit im Grünen.

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