Soldat Lothar unterschrieb seine Entlassung selbst
LINZ. Die Geschichte eines Mannes, der aus der Tschechoslowakei floh, versteckt wurde und wohlbehalten zu Hause ankam
Von einem besonderen Beispiel an Zivilcourage und langjähriger Verbundenheit zu früheren Helfern, das sich nach Kriegsende in der zunächst US-verwalteten und später sowjetischen Besatzungszone im Mühlviertel zutrug, berichtet OÖN-Leserin Monika Rafetseder (79), die heute in Linz wohnt.
"Bei Kriegsende war ich ein viereinhalbjähriges Kind und lebte mit meinen liebevollen Pflegeeltern in Ulrichsberg", schreibt Frau Rafetseder. Im Ort wurde eines Tages darüber geredet, dass in den Saal des großen Gasthauses verwundete Soldaten gebracht worden waren, die aufgrund ihrer Verletzungen nicht nur Schmerzen hatten, sondern auch Hunger. "Meine Pflegemutter kochte gleich einen großen Topf Wintergemüse, das noch vorhanden war, und füllte es in eine ‚Mülipitschn‘", erinnert sich Rafetseder. "Mit dieser und einem großen Stück Brot schickte sie mich ins Lazarett." Maridl, die Tochter des Hausherrn, begleitete die kleine Monika, der auffiel, dass den Soldaten das einfache Essen sehr schmeckte.
Maridl nahm den aus Stuttgart stammenden Soldaten Lothar mit und brachte ihn zu Monika Rafetseders Pflegeeltern. Dort erzählte er von seiner Flucht aus der Tschechoslowakei. "Er wurde in einem Versteck im Haus untergebracht und nahm an unserem Leben teil", berichtet die OÖN-Leserin. "Bei günstiger Gelegenheit brachte ihn ein Vertrauter zur Entlassungsstelle der Amerikaner nach Schlägl." Dort "organisierte" Lothar Entlassungspapiere und unterschrieb sie mit dem Namen des Beamten. Zu Hause sagte er grinsend: "Ich habe mich selbst entlassen."
Als die Amerikaner abzogen und die Sowjets die Zone übernahmen, wurde es für Monika Rafetseders Pflegeeltern und auch für den früheren Soldaten Lothar gefährlich. Ein Bekannter brachte ihn durch die Wälder nach Passau, dort meldete er sich – in Zivilkleidung – bei den Amerikanern. "Sobald er in Stuttgart angekommen war, verständigte er uns von der gelungenen Heimkehr", so Rafetseder. "Sein Leben lang hielt Lothar aus Dankbarkeit die persönliche Verbindung schriftlich und mit Besuchen aufrecht. Nach dem Tod meiner Pflegeeltern ging diese Verbundenheit auf mich über. 1995, zum 50. Jahrestag des Kriegsendes, schickte Lothar Geld für einen Blumenstrauß für Maridl und Blumen für das Grab meiner Pflegeeltern."
Lothar verstarb hochbetagt vor vier Jahren.
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immer schön zu lesen dass es auch " positiven " Dinge aus dem WKII gibt .
Ich war heute im Wissensturm wo auch Bilder der alte Zeit aus der Franckstraße
hängen , als dort die Kaffeeindustrie von Franck aufgebaut wurde .