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Goldenes Händchen

Von Roswitha Fitzinger, 05. Oktober 2019, 00:04 Uhr
Goldenes Händchen
Schmuck aus Gras Bild: Volker Weihbold

Einst arbeiteten sie für Industriekonzerne, heute haben sich Poliana und Thomas Scheibenberger der Designkunst verschrieben. Die beiden beweisen ein goldenes Händchen und tun dabei auch Gutes.

So etwas habe ich ja noch nie gesehen." Diese Reaktion bekommen Poliana und Thomas Scheibenberger regelmäßig zu hören, wenn auf Designmärkten ihre ausgestellten Gegenstände unter die Lupe genommen werden. Es ist zunächst meist die Farbe, die Besucher anlockt: Gold, nicht grell glänzend, sondern warm schimmernd. Die kleinen Taschen und Schmuckstücke sind zudem unerwartet leicht. Das ist schon einmal die erste Überraschung. Eine weitere folgt, wenn die beiden aus Oftering erklären, dass die Objekte aus simplem Gras gefertigt sind.

Alles Handarbeit

Und dann beginnen Poliana und Thomas Scheibenberger in der Regel zu erzählen. Denn dieses Goldene Gras wächst nur in Brasilien, hat eine besondere Geschichte, die im Norden des Landes beginnt. Tocantins ist nach brasilianischen Verhältnissen ein kleiner Bundesstaat und dennoch viermal größer als Österreich. Die Sonne brennt gnadenlos vom Himmel, sodass die Luft sogar im Schatten noch 45 Grad heiß ist. Viel wächst nicht in dieser abgelegenen Wüstenregion außer diesem besonderen Gras. Nur einmal im Jahr, zu einer bestimmten Zeit, darf es geerntet werden. Ausschließlich bestimmten lokalen Familien obliegt es, die Grasbüschel, die inmitten anderer Steppengräser wachsen, aus der Erde zu ziehen. Nur sie dürfen die Halme auch weiterverarbeiten. Indianer fertigten einst Körbe und Hüte daraus. "Vor 100 Jahren hat die lokale Bevölkerung die Technik verfeinert, irgendwann wurde auch Schmuck angefertigt", erzählt Poliana Scheibenberger.

Goldenes Händchen
Gebrauchsgegenstände aus Bananen, Lianen, Papier und Gras Bild: Volker Weihbold

Alle paar Monate machen sie und ihr Mann sich auf den Weg, eine dieser Familien zu besuchen. Es gibt keine befestigten Straßen dorthin, keine Hinweisschilder. Eine Reise, die 20 Autostunden vom nächstgelegenen Flughafen endet. "Die Großmutter hat indianische Vorfahren und den anderen Familienmitgliedern die Technik beigebracht. Heute arbeiten ihre Tochter, ihr Mann, deren Schwiegersohn und sogar die Enkel mit", sagt Poliana. Aus dem simplen Gras werden mit viel Fingerspitzengefühl und Geschick Ohrringe und Armbänder, Anhänger, aber auch kleine Taschen hergestellt. Nur in verarbeitetem Zustand darf das Gras die Region verlassen.

Es sind nicht selten die kleinen Zufälle, die unser Leben in eine Richtung lenken. Und das Leben hatte es mit der 38-jährigen Brasilianerin nicht immer gut gemeint. Als Poliana ein Jahr alt war, wurden sie und ihre Schwester auf der Straße zurückgelassen. Mutter verschwunden, Vater unbekannt – steht in ihrer Geburtsurkunde. "So etwas ist in Brasilien normal", sagt sie. Es war ihre Tante, die die beiden in ein Kinderheim brachte. »

» "Das war meine Rettung", ist sie überzeugt, denn das Kinderheim bot ihr nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch die Chance auf Bildung. "Ich wollte unbedingt studieren, aber eine Freundin meinte, geh doch zuerst als Au-pair in die Schweiz, studieren kannst du immer noch", sagt Poliana.

Goldenes Händchen
Brasilianische Kunstobjekte gibt es im auch im Atelier von Poliana und Thomas Scheibenberger in Oftering zu sehen. Bild: Volker Weihbold

Da war er, der Satz, der alles verändern sollte. In der Schweiz lernte sie schließlich Deutsch. Eine Sprache, die ihr nach dem Studium einen Job als Fremdsprachenkorrespondentin und Direktionsassistentin in einem internationalen Konzern einbrachte. Dort lernte sie nicht nur ihren Mann Thomas, einen technischen Direktor, kennen, sondern sie betätigte sich in ihrer Freizeit auch als Fremdenführerin, denn die Mitarbeiter aus aller Welt wollten etwas von ihrer Heimat sehen. Poliana knüpfte so Kontakte zu Künstlern, die später Goldes wert sein sollten.

Ein neuer Lebensweg

Zwar führte ihr beruflicher Weg das erfolgreiche Akademikerduo erst nach Indien und 2012 schließlich nach Oberösterreich. Dennoch: "Diese Arbeit war letztendlich nicht unsere Erfüllung", sagt Thomas Scheibenberger.

Hingegen drängte sich etwas anderes immer stärker in den Vordergrund. Beide wollten ihrer kreativen Seite mehr Raum geben. "Die Sache mit den Designstücken hat sich nach und nach ergeben", sagt der 52-Jährige. Die Stücke aus Brasilien fanden zunächst bei Freunden und Bekannten Gefallen, und irgendwann wurde daraus eine Geschäftsidee: Sie wollten Designkunst aus Polianas Heimat auch den Menschen hier näherbringen. "Gleichzeitig ist uns der soziale Aspekt sehr wichtig. Wir unterstützen Künstler, deren Familien und seit 13 Jahren auch Kinderheime in Brasilien. Darüber hinaus steckt so viel Tradition in den Produkten, und die Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten, sind so stolz, dass ihre Sachen am anderen Ende der Welt Gefallen finden. Für jeden von ihnen ist es die Haupteinnahmequelle", sagt das Paar, das zu jedem Produkt eine Geschichte zu erzählen weiß. Poliana und Thomas Scheibenberger erzählen sie jedem gerne, der sie in ihrem Atelier in Oftering oder auf einer ihrer Veranstaltungen besucht. «

Veranstaltungen …

4.–6. Oktober 2019: "MühBra – Der feine Markt" im Gartenpavillon des Stiftes St. Florian
15.–17. November 2019: "Brazilian Design Days" im Nachbars-Garten-Kulturraum in Oftering
23.–24. November 2019: "Kunst & Designmarkt" in Salzburg
13. Dezember 2019: Adventmarkt im Petrinum Urfahr

www.artelavista.com

Goldenes Gras

Um das besondere Grasbündel aus Brasilien auszuführen, brauchte es eine Sondergenehmigung, denn das Goldene Gras ist seit 2003 besonders geschützt und darf nur in verarbeitetem Zustand das Land verlassen.

Bananen

Die Gefäße werden aus Fasern gefertigt, die aus dem Stamm der Bananenpflanze ausgelöst, gekocht und zu einer Art Pappmaschee verarbeitet werden.

 

Lianen

Für die geometrischen Schaubilder bedarf es unzähliger geschnittener Lianenstücke. Jedes wird händisch platziert und geklebt. Die Muster entstehen aufgrund der unterschiedlichen Lianenarten, die sich hinsichtlich Farbe und Maserung unterscheiden.

 

Papier

Eine Frauenkooperative fertigt Designstücke wie Taschen und Servier-Tabletts aus Zeitungspapier. Jedes Papierblatt wird dabei händisch gerollt und gepresst.

Goldenes Händchen
Tasche aus Papier Bild: Volker Weihbold
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Autor
Roswitha Fitzinger
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