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Frau mit Bart

Von Bernhard Lichtenberger, 07. März 2020, 00:04 Uhr
Frau mit bart
Es braucht Geduld und Fingerspitzengefühl, um einen feschen Gamsbart zu binden. Bild: Alexander Schwarzl

Weil ihr fad war, wollte Burgl Schramml Gamsbärte binden. Die Weidmänner hatten damit wenig Freude. Weil sie eine Frau ist. Aufhalten konnten sie die resche Bad Ausseerin aber nicht.

Wo ein Wille, da ein Weg. Die Weisheit passt recht gut zu Burgl Schramml. Eine Ausseer Ureinwohnerin sei sie, "uriger geht’s gar nicht", und ihr Weg ins Leben war kein einfacher. Am 7. Juni 1956 zog ein entsetzliches Gewitter übers Land. Ein Blitz schlug bei der Wasnerin ein, was auch das Spital stromlos machte. "Im Finstern haben sie mich mit Kaiserschnitt auf die Welt geholt", sagt sie.

Zum Bart fand die Frau ebenfalls über Hindernisse. Der Mutter eines Buben war in der Karenz fad. Als gelernte Goldschmiedin war sie Trachten und damit auch der Hut-Zier zugeneigt. Das Wildhaarbinden sollte ihre Langeweile vertreiben – was sich als haarige Angelegenheit erwies. Die lokalen Weidmänner, die das Handwerk beherrschten, sahen ihre Domäne durch ein Weiberleut bedroht. Drüben, hinter dem Pötschenpass, in Hallstatt, nahm sich ein alter, kundiger Mann der Interessierten an. "Dem Pilz Fritz war es wurscht, dass i a Frau bin", erinnert sich Burgl Schramml. Fünf Mal ist sie zu ihm gefahren, und der Fritz hat ihr noch ein Büschel Haare zum Üben mitgegeben. Dann hatte sie das Pfachtl, wie die Salzkammergütler sagen – die Fertigkeit.

Frau mit bart
Bild: Alexander Schwarzl

90 Hasen für ein Bartl

Die nützte ihr vorerst nichts gegen die Tradition, wonach nur Männer Bärte binden. Den Bann brach der Oberförster, der kein Einheimischer war. Er ließ sich einen Hirschbart machen. In den geschickten Fingern landeten in der Folge die Haare von Dachs, Wildsau und von Hasen. Letztere wurden zuhauf auf dem Gelände des Wiener Flughafens erlegt. Da sich Meister Lampe mit acht Barthaaren begnügt, "braucht es schon 90 Hasen, damit du ein kleines Bartl zusammenbringst", sagt die Burgl, die einmal auch dem Wunsch nach einem Gnu-Bart nachgekommen ist.

"Das Edelste ist aber der Gamsbart, vor allem, wenn er einen schönen Reif hat", sagt die 63-Jährige. Gemeint sind gleichmäßige weiße Spitzen der schwarzen Haare, die vom Rücken geschlechtsreifer Böcke stammen. "In der Brunft stellt er die Haare auf, auch um die Weiberl zu beeindrucken – wie halt die Männer sind. Ab 16 Zentimeter aufwärts passt er, der Bart. Ich hab’ auch schon welche mit 23 Zentimetern gehabt." Im Idealfall reißt man sie büschelweise gegen den Strich heraus, solange der erlegte Bock noch warm ist.

Vor langer Zeit ließ sich die Ausseerin aus Neuseeland einen ganzen Container mit rund 120 Gamsdecken kommen. Aus Neuseeland? »

» Nun, im Jahr 1907 schenkte Kaiser Franz Joseph dem Inselstaat zwei Böcke und sechs Weibchen, die mit dem Schiff auf die Südinsel gebracht wurden und sich dort wie wild vermehrten. "Von der gekauften Fracht habe ich jahrelang gelebt", erzählt sie. "Die Haare habe ich eingefroren, damit sie sich nicht verfärben und keinen roten Stich bekommen. Heute verarbeite ich nur noch das, was mir die Jäger bringen."

Den Bart kampelt die Burgl aus, befreit ihn von der Unterwolle. Dann sortiert sie nach Längen, zupft die blinden Haare, also jene ohne Reif, mit der Pinzette heraus. Die Büschel werden gebunden und rund um eine mit Wolle umwickelte Regenschirmspeiche drapiert, oben die kürzeren, unten die längeren. Eine Barthülse sei nicht Tradition, sondern Geschmacksache. Nach ihrem Geschmack ist sie nicht, und so gibt’s bei der Burgl nur ein grünes Filzerl, das schließlich unter die Hutkrempe gesteckt wird.

Protzige Bayern-Bärte

Dass bayerische Gamsbärte im Unterschied zu jenen aus dem Salzkammergut mit üppiger Pracht prahlen, liegt daran, dass Erstere aus den Haaren mehrerer Böcke gebunden werden, während man sich hierzulande ehrlich mit dem Haar eines Tieres bescheidet. Eine Ausseer Eigenart ist der Radlbart, den Erzherzog Johann salonfähig gemacht hat. Einst war er dem Adel vorbehalten, während sich die Jäger mit dem Pinselbart schmückten. Heute stecken sich die Grundlseer und Bad Ausseer Musikkapellen das kreisrunde Kunstwerk aus den Haaren von Gams, Dachs oder Hirsch an, weil es sich wehrhafter gegen die Witterung erweist als der Buschen.

Zirka 16 Stunden werkt die Burgl an einem feschen Gamsbart. Bisweilen muss sie die Haare vorher waschen, "wenn der Gams in der Brunft auf’n Buckl soacht und das Revier markiert, oder wenn er voll Schweiß (Blut, Anm.) ist. Das stinkt und pickt entsetzlich", sagt sie. Ab 100 Euro muss für ein Hutgesteck gerechnet werden. "Wegen dem Geld tut man’s nicht. Es ist eine sehr meditative Arbeit, du bist im Hier und Jetzt, rund um dich existiert nichts mehr", sagt sie. Mit Hingabe lauscht sie den spannenden Erzählungen ihrer dem Weidwerk verschriebenen Klientel. Die Jagdprüfung hat die Ausseerin in der Tasche, jagen geht sie allerdings nicht: "Ich schau’ dem Wild einfach gern zu, und da ist es gut, wenn du alles darüber weißt."

Ob Weidmann oder Weidfrau – mit einem Gamsbart geben sich Jäger und Jägerin nicht zufrieden. Da braucht es den Weritag-Buschen genauso wie die verschiedenen Gamsbärte, die fürs Wirtshaus, eine Taufe, eine Hochzeit oder das Begräbnis taugen.

Und was ist er nun genau, der Gamsbart? "Eine Trophäe", sagt die Burgl, "mit der ausgedrückt wird, dass man dem erlegten Wild noch einmal die Ehre erweist. Da gehört auch dazu, das Fleisch zu essen."

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Autor
Bernhard Lichtenberger
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