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Wahrheiten, die theatralisch vermittelt werden

Von Peter Grubmüller, 09. Februar 2019, 00:04 Uhr
Wahrheiten, die theatralisch vermittelt werden
Bernhard und Peymann nach der „Heldenplatz“-Premiere 1988 Bild: APA

Regisseur Peymann und Schauspieler Schwab über Bernhard.

Der jüdische Professor Josef Schuster ist tot. Er hat sich aus dem Fenster seiner Wohnung am Heldenplatz gestürzt. Schuster hat es nicht ertragen, wie erstarrt Österreich nach 1938 geblieben ist. Seine Frau leidet an Halluzinationen: Sie hört immerzu die Massen, die Adolf Hitler am 15. März 1938 auf dem Heldenplatz zugejubelt haben.

Das ist der Ausgangspunkt von Thomas Bernhards Theaterstück "Heldenplatz", das 1988 den größten Theaterskandal der Zweiten Republik verursacht hat. Im Gespräch mit den OÖN erinnert sich "Heldenplatz"-Regisseur und Burgtheater-Chef Claus Peymann: "Das war ein Großereignis. Nicht nur für das Theater, sondern auch für den Blick der Österreicher auf sich selbst. Vor allem in Bezug auf dieses alte Motto: Wir sind das erste Opfer des Faschismus, wir sind das erste besetzte Land. Das war über Jahrzehnte eine wunderschöne Verdrängung. Spätestens nach dem Aufdecken der Realität war es mit dieser Lüge vorbei." Damals sei eine Wahrheit theatralisch vermittelt worden. Peymann weiter: "Und derjenige, der bei der Heldenplatz-Premiere der größte Herumbrüller war, ist heute FPÖ-Vorsitzender und Vizekanzler."

Wahrheiten, die theatralisch vermittelt werden
Traugott Buhre (l.) und Martin Schwab bei der Uraufführung von "Der Theatermacher" 1985 Bild: dpa

Neben Peter Handke und Elfriede Jelinek sei Bernhard "eine Weltnummer" der zeitgenössischen Dramatik. "Insgesamt muss man Thomas Bernhard neben Ferdinand Raimund, Johann Nestroy und Karl Kraus stellen. Der Österreicher ist ja von Natur aus Masochist. Und wenn er einmal richtig verprügelt wird, dann liebt er zurück", sagt Peymann. Der Regisseur pflegte zu Bernhard ein "Schüler-Lehrer-Verhältnis", sagt Burgschauspieler Martin Schwab, der bei etlichen Bernhard-Uraufführungen auf der Bühne stand. Und weiter: "Peymann hoffte ja auch, dass ihn Bernhard lobt."

Als Theater-Skandal war "Heldenplatz" lediglich eine Fortsetzung in Bernhards Karriere: Schon bei der Uraufführung von "Der Ignorant und der Wahnsinnige" 1972 bei den Salzburger Festspielen raufte sich die Theaterwelt beim sogenannten "Notlichtskandal" die Haare: Per Regieanweisung sollte das Stück in absoluter Finsternis enden, also verlangte Regisseur Peymann, bei den Aufführungen auch das Notlicht im Saal zu löschen.

Wahrheiten, die theatralisch vermittelt werden
„Der Ignorant und der Wahnsinnige“ 2012 im Burgtheater Bild: APA

Feuerpolizeiliche Vorschriften verhinderten dies. Daraufhin entbrannten Streitigkeiten und alle weiteren Vorstellungen wurden abgesagt. Bernhard äußerte sich via Telegramm: "Eine Gesellschaft, die zwei Minuten Finsternis nicht verträgt, kommt ohne mein Schauspiel aus." Ein halbes Jahr später übersiedelte das Stück ins Hamburger Schauspielhaus.

 

Thomas Bernhard in Wort und Bild

Von Peter Grubmüller

  • Sepp Dreissinger: „Immer noch Frost“, Album Verlag, 184 Seiten, 24,90 Euro
    Der Fotograf und Autor Sepp Dreissinger nähert sich dem Phänomen des ersten Skandals von Thomas Bernhard: „Frost“. Eingebettet in herausragende Fotografien melden sich Bernhard selbst, Bruno Ganz, Josef Hader, Claus Peymann und viele andere zu Wort.
  • „Autobiographische Schriften“, Residenz Verlag, 492 Seiten, 60 Euro
    Eine Ausgabe wie ein Kunstwerk. Der Künstler Erwin Wurm hat Bernhards Texte „Die Ursache“, „Der Keller“, „Der Atem“, „Die Kälte“ und „Ein Kind“ mit eigenen Aquarellen ergänzt. Eine Anleitung, um Bernhard besser verstehen zu lernen.
  • „Thomas Bernhard“, Biografie von Manfred Mittermayer, 456 Seiten, 28 Euro
  • Thomas Bernhard-Experte Manfred Mittermayer gestaltet aus Leben und Werk des Autors eine große Erzählung, die von Bernhards „Herkunftskomplex“ – der Familie seines Großvaters Johannes Freumbichler– bis zu seinem Tod nach langer Krankheit reicht.
  • „Meine Preise“, Lesung von Claus Peymann, Verlag Tacheles, 200 Minuten
    Claus Peymann ringt stellvertretend für seinen jahrelangen Wegbegleiter um Worte und Würde. Es ist eine zornige Rückschau auf die Literaturpreise-Bilanz, in der sich Thomas Bernhard als großer Komiker offenbart – und Peymann hat den besten Rhythmus dazu.
  • „Die Ursache“, Residenz Verlag, Graphic Novel, 112 Seiten, 22 Euro
    Mit präzisem Strich und einer beharrlichen Wiederholungs- und Variationstechnik gelingt es Zeichner Lukas Kummer, Thomas Bernhards Erinnerungen an die Schrecken von Internat, Krieg und Nationalsozialismus in dieser prächtigen Graphic Novel sichtbar zu machen.
  • „Briefwechsel“, Peter Simonischek und Gert Voss lesen den Briefwechsel von Bernhard und dem Verleger Siegfried Unseld, Hörverlag, 239 Minuten, 23,99 Euro
    Simonischek und Voss sind köstlich darin, der Atmosphäre zwischen Bernhard und seinem Verleger Unseld den perfekten Ton zu geben. Ein rethorischer Schlagabtausch.
  • „Thomas Bernhard. Hab & Gut. Das Refugium des Dichters“, Brandstätter Verlag, 176 Seiten, 35 Euro
    Ein von André Heller herausgegebenes „Investigativbuch“ über Bernhards Bibliothek, seine Plattensammlung und das dandyhafte Leben des Außenseiters. 90 Fotografien stützen die Verstörung in Bernhards Vierkanthof.

 

 

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