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Die Vergessenen

Von Bernhard Lichtenberger   25.Oktober 2019

Die Einfassungen sind verschwunden, gusseiserne Kruzifixe von den Sockeln gestürzt, der Gekreuzigte seiner Arme beraubt. Dafür haben sich Flechten der letzten Ruhestätten bemächtigt, umwuchert von Grab- und Wildblumen. Die Friedhöfe der ehemaligen deutschsprachigen Bevölkerung im Niemandsland des 1989 gefallenen Eisernen Vorhangs zwischen dem Mühlviertel und Böhmen waren mehr als 40 Jahre lang nicht erreichbar, sich selbst und der Natur überlassen.

Im Zuge der Dreharbeiten für die zweiteilige TV-Dokumentation "Österreich am Eisernen Vorhang", die ORF III am 9. November um 20.15 Uhr als Zweiteiler zeigt, besuchte der in Kirchberg-Thening lebende Filmemacher und Fotograf Thomas Hackl vier verfallene Friedhöfe im Grenzgebiet, die unsere Vergänglichkeit unterstreichen.

"Auf diesen verlassenen Friedhöfen herrscht eine eigene Stimmung – auch durch die gespenstische Ruhe, da nur selten Besucher anzutreffen sind", sagt der Oberösterreicher. Zur Zeit der politischen Abschottung war es nur mit Sondergenehmigungen möglich, Zutritt zu bekommen. An manchen Grabstätten erkennt man, dass nach der Öffnung manche Angehörige von Verstorbenen auf der Suche nach deren Gräbern offenbar fündig geworden sind. "Durch die Restaurierung verbliebener Kreuze und Steine versuchen sie gegen das Vergessen anzukämpfen und den vor langer Zeit verblichenen Verwandten wieder die Ehre zu erweisen", sagt der Fotograf.

Ab und zu stößt man dabei auch auf Christusfiguren aus Plastik und auf Kunststoffblumen, die der Morbidität des Vermoosten und Verwilderten widersprechen. Sie stammen vermutlich von Nachkommen von Vertriebenen, die weit entfernt wohnen und deshalb nicht häufig die letzten Ruhestätten aufsuchen können, um mit frischem Blumenschmuck und entzündeten Kerzen der Verstorbenen zu gedenken.

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29. März 2024