Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

"Kaprun begleitet mich ein Leben lang"

Von Marlies Czerny   11.November 2015

  • Tunnel-Tragödie: Vor 15 Jahren starben 155 Menschen in der brennenden Kapruner Gletscherbahn auf dem Kitzsteinhorn. Bei vielen Oberösterreichern ist seither nichts mehr so, wie es einmal war.

Der Gedanke an den 11. November 2000 ruft bei Hans Ressler Gänsehaut hervor. Erinnerungen, die sich ins Gedächtnis gebrannt haben. Der Steyrer kann sich an alle Gespräche dieses Tages erinnern, an alle Einzelheiten. "Wenn ich die Augen zumache, sehe ich die Rauchschwaden auf uns zukommen." Ressler war Ausbildungsleiter eines Kurses des Landesskiverbandes. Thema: Sicherheit und Erste Hilfe. 160 Skilehrwarte nahmen teil. Sechs von ihnen kehrten nicht mehr heim.

Da bei der Gondelbahn noch ein Parkplatz frei gewesen war, fuhr Ressler oberirdisch auf den Gletscher. Dort wartete der heute 76-Jährige vergeblich auf ein Brüderpaar, ein Ehepaar, einen Ehemann und einen Polizisten. Welch dramatische Szenen sich in der 3,2 Kilometer langen Tunnelröhre abspielten, kam nach und nach ans Tageslicht. 155 Menschen verbrannten und starben im Qualm. 45 stammten aus Oberösterreich. Darunter 32 Mitarbeiter des Welser Magistrats, sie waren auf Ski-Ausflug. "Kaprun begleitet mich ein Leben lang", sagt Ressler.

Nach dieser Katastrophe rückte die Welt ein Stück näher nach Österreich. Mitleidsbekundungen kamen von Papst Johannes Paul II., von der Königin von England, von Russlands Präsident Wladimir Putin. Es sprach EU-Kommissions-Präsident Romano Prodi "dem österreichischen Volk im Namen der Europäischen Kommission" das Mitgefühl aus.

Zwölf Menschen retteten sich aus dem Inferno. Wie ein Vater aus Gallspach mit seiner Tochter. Viele Betroffene wollen über diesen Tag aber nicht (mehr) sprechen.

Es hätte doch ein schöner Skitag werden sollen. Zur Ehrung zum 40-jährigen Skiverbands-Jubiläum hatte Hans Ressler ein Ehepaar aus Lichtenberg auf das Kitzsteinhorn geladen. Der Mann war gestorben – auf der Toilette durch aufziehende Rauchschwaden. "Seine Frau hat schwer geschockt überlebt. Sie hatte mir vorgehalten: ,Du hast uns eingeladen. Und meinen Fredi gibt’s jetzt nicht mehr.’ Diese Worte krieg’ ich nicht mehr aus dem Kopf heraus."

Ressler ist dem Landeshauptmann dankbar, der eine psychologische Betreuung ermöglichte. "Das war anfangs sehr hilfreich. Wir sind heute noch ein enger Kreis, der viel daran denkt. Je mehr wir darüber redeten, desto besser haben wir es verarbeitet", sagt Ressler. Erst vor zwei Wochen besuchte er die Gedenkstätte in Kaprun. Es fand wie alle Jahre wieder ein Skiverbands-Koordinationstag statt auf dem Kitzsteinhorn. "Der Psychologe hatte uns damals geraten: Wir sollen so schnell als möglich wieder hin."

Der Fall Kaprun beschäftigte auch noch jahrelang das Ausland. Der Freispruch von 16 Angeklagten im Jahr 2004 ließ die Suche nach einem Schuldigen offen. Brandheiße Anschuldigungen schwirrten noch im Raum. Zu Schuldsprüchen kam es nie. Das deutsche Magazin "Der Spiegel" ging mit der österreichischen Justiz hart ins Gericht. Hier verstünde "man sich offenbar nicht nur auf das Präparieren schneeweißer Pisten, sondern genauso gut auf das Präparieren schneeweißer Westen". Strafrechtlich ist der "Kriminalfall Kaprun" mittlerweile verjährt. Alle Wunden von damals heilte die Zeit aber nicht.

 

Chronologie

Chronologie

  • 11. November 2000: Um 9.02 Uhr fährt die voll besetzte Zugsgarnitur „Kitzsteingams“ ab. Nach acht Minuten wird der Brand einer Kabine gemeldet. Zwölf Personen können sich retten.
  • 15. November 2000: Die Opferbilanz lautet 155 Tote. 152 Personen starben im Tunnel, drei in der Bergstation.
  • 6. September 2001: Ergebnis der Gutachter: Ein defekter Heizlüfter soll schuld sein.
  • 19. Februar 2004: Richter Manfred Seiss spricht alle 16 Angeklagten (Mitarbeiter von Gletscherbahn, TÜV, Verkehrsministerium und Konstrukteure) frei. Viele Hinterbliebene sind empört.
  • 27. September 2005: Nach Berufung von Staatsanwältin Eva Danninger-Soriat verteilt auch das OLG Linz Freisprüche.
copyright  2024
28. März 2024