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Der Schilling als Neustart für ein geplagtes Land

Von Alexander Zens   28.Februar 2015

Schilling als Neustart

  • Vor 90 Jahren wurde in Österreich der Schilling eingeführt. Es war eine von fünf Währungsumstellungen in den vergangenen 150 Jahren.

Ab Anfang 1925 war der Schilling das offizielle Zahlungsmittel Österreichs. Er löste die Krone ab, vermittelte Aufbruchstimmung und stellte das Vertrauen in die österreichische Wirtschaft wieder her. Die Bevölkerung war in den Jahren davor durch eine ökonomische Katastrophe gegangen: die Hyperinflation.

"Ein Geldbetrag, mit dem Sie 1914 ein Haus kaufen konnten, reichte 1922 vielleicht noch für ein Mittagessen", sagt Professor Roman Sandgruber, Vorstand des Instituts für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Linz. Die Lebenshaltungskosten erreichten 1922 das 14.000-fache der Vorkriegszeit.

Weil das Geld nichts mehr wert war, wurde es in Waschkörben oder Schubkarren transportiert. Mit den Scheinen rollte man sich Zigarren, tapezierte Wände oder heizte den Ofen. Die Entwertung vernichtete Sparguthaben und Renteneinkommen. Wer konnte, legte sein Geld in Sachwerten an oder verlagerte es in Devisen.

Ursache der Inflation war eine politische Katastrophe – der Erste Weltkrieg. Denn die Kriegsausgaben und die darauf folgenden Reparationszahlungen finanzierte Österreich überwiegend über die Notenpresse. Die Geldmenge stieg massiv, Inflation war die Folge. Die Wende wurde im Oktober 1922 eingeleitet, als die internationale Staatengemeinschaft Österreich eine Völkerbund-Anleihe in Höhe von 650 Millionen Kronen gewährte. Damit verbunden waren harte Auflagen – die Sanierung des Budgets, die Stilllegung der Notenpresse, die Kontrolle des Spar- und Reformprogramms durch einen Völkerbund-Kommissär.

Der stabile "Alpendollar"

Die Einführung des Schilling war Teil dieser Sanierung und sollte den Bürgern, Finanzmärkten und der Welt Vertrauen signalisieren. Für 10.000 Kronen bekam man einen Schilling. Stabilität war fortan das oberste Prinzip der Wirtschaftspolitik. Der Schilling entwickelte sich in diesem Umfeld tatsächlich zu einer der stabilsten Währungen Europas, was ihm im Volksmund den Spitznamen "Alpendollar" einbrachte.

"In der Geschichte des Geldes folgten auf Kriege Währungsreformen. Für die Bevölkerung war das kurzfristig schmerzhaft, langfristig aber positiv", sagt Walter Antonowicz vom Bankhistorischen Archiv der Oesterreichischen Nationalbank. Beim Zweiten Weltkrieg war es nicht anders. 1945 war die im Umlauf befindliche Geldmenge sechs Mal so groß wie sieben Jahre davor.

1938 hatten die Nationalsozialisten die Reichsmark eingeführt. Bei der Rückkehr zum Schilling verloren die Bürger wieder den Großteil ihres Geldvermögens. 1947 bekamen sie für drei "alte" einen "jungen" Schilling. Die Phase der Abwertungen dauerte bis 1953. Dann wurde Österreich Vollmitglied beim Internationalen Währungsfonds.

Deutsche Mark als Vorbild

Eine weitere Zäsur in der Währungspolitik erfolgte nach dem Ende des Systems von Bretton Woods (fixes Wechselkurssystem mit Goldstandard und US-Dollar als Ankerwährung) Anfang der 70er-Jahre. Österreich schwenkte auf eine Hartwährungspolitik ein. Der Schilling orientierte sich ab 1976 an der Deutschen Mark.

Während andere Länder ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit mit regelmäßigen Abwertungen herzustellen versuchten, ging Österreich den harten Weg über Strukturreformen und Produktivitätssteigerungen in der Wirtschaft. Das machte das Land zu einer der wettbewerbsfähigsten Nationen Europas.

Eine weitreichende Währungsreform hatte es auch 1892 gegeben. Vom besonders mit Silber hinterlegten Gulden wurde zur Gold-Krone gewechselt. Diesem Übergang waren der Börsenkrach von 1873 und eine lange währungspolitische Debatte im Habsburgerreich vorangegangen.

 

Kinder warten auf ihre Armensuppe
1918: Kinder warten auf ihre Armensuppe.

Gelddrucker

Als Gemeinden, Vereine und Bäcker zu Gelddruckern wurden

Eine Begleiterscheinung der Hyperinflation nach dem Ersten Weltkrieg war nicht nur die große Armut der Bevölkerung, sondern auch die Ausgabe von Notgeld. Es war eine Maßnahme, um den Kleingeldmangel zu bekämpfen. Denn Scheidemünzen aus Nickel oder Kupfer wurden gehortet, als ihr Metallwert den Nennwert zu übersteigen begann. Zusätzlich hatte der Metallbedarf der Kriegsindustrie zu Kleingeldmangel geführt.

Der Finanzminister musste daher am 21. November 1918 den Gemeinden die Ausgabe von Notgeld erlauben. Das Banknotenprivileg der Notenbank blieb aber unangetastet. Daher gab es als Notgeld nur kleine Nennwerte.

Städte, Gemeinden und Privatfirmen deckten den Bedarf mit eigenen Ausgaben, für den Geldumlauf bestimmten "Verkehrsausgaben".

Banknoten als Sammlergut

Am 17. April 1920 berichtete die Linzer "Tagespost": "Vierzig Gemeinden sind bereits unter die Geldmacher gegangen ... die papierene Flut schwillt immer noch an." Die Kommunen verschafften sich mit der Geldausgabe eine, wenn auch bescheidene, zusätzliche Einkommensquelle. Die Geldscheine waren Sammelobjekte geworden.

Die "Tagespost" am 1. September: "Wie aus Sammlerkreisen mitgeteilt wird, haben von den 503 Gemeinden in Oberösterreich nicht weniger als 397 verschiedene Arten von Gutscheinen herausgegeben. Bis zum Herbst 1920 lässt sich anhand von Sammlerkatalogen ermitteln, dass 425 Gemeinden und andere Institutionen Notgeld herausgegeben haben, wobei an die 100 weitere Emissionen, die gleich an Sammler gegeben wurden, noch hinzugerechnet werden müssten."

Da man drucktechnische Varianten wie bei Briefmarken genau registrierte, wurden auch An- und Fehldrucke in Umlauf gebracht oder sogar bewusst angefertigt. Den 10-Heller-Schein von Eferding gibt es in nahezu 100 Abarten.

Gemeinden, Bezirkshauptmannschaften, Regimenter, Stifte, Pfarren, Museen, Feuerwehren, Turnvereine, Parteien, Firmen, Narrenvereine und viele mehr waren Gelddrucker. In Linz brachten neben der Stadt auch die Schiffswerft, das Gaswerk, die Bäckerei Helletzgruber, die Gemischtwarenhandlung Hofer oder das Varieté Kolosseum Notgeld heraus.

Die Ausstattung der zuerst primitiven Scheine wurde immer aufwendiger. Neben Lehrern, Pfarrern und Gemeindesekretären lieferten Künstler Entwürfe: Ludwig Haase, Klemens Brosch, Wilhelm Dachauer, Max Kislinger oder Anton Lutz. Mehr als die Hälfte der Scheine zeigte Orts- und Landschaftsansichten, historische Bauten und Denkmäler, Brücken, Bahnhöfe, politische Propaganda, Sinnsprüche oder Klagen über die Teuerung und das Notgeldunwesen.

1921 – noch vor dem Höhepunkt der Inflation – endete der Notgeld-rummel, weil Papier- und Druckkosten höher waren als die Nennwerte.

Von Schnecken bis Euro und Bitcoin
Ausstellung im Geldmuseum (OenB)

Von Schnecken bis Euro und Bitcoin

Schon weit bevor das erste richtige Geld verbreitet wurde, dienten die Häuser von Kaurischnecken in Afrika, Asien und der Südsee als Zahlungsmittel. Dort setzt die neue Ausstellung im Geldmuseum der Oesterreichischen Nationalbank an, die vergangene Woche eröffnet wurde und noch bis 29. Jänner 2016 läuft.

"Kauri, Gold und Cybercoins – Formen des Geldes" zeigt die Entwicklung der Zahlungsmittel im Kontext der Entwicklung des Menschen. So spielen prämonetäre Zahlungsmittel wie Schweinehauer, Hundezähne und Marderfelle genauso eine Rolle wie der bargeldlose Zahlungsverkehr und digitale Währungen wie Bitcoins. Im Mittelpunkt steht auch die Entstehung des ersten Bargelds und dessen Entwicklung über Münzvereinigungen und Währungsunionen bis hin zum Euro.

Geöffnet ist die Ausstellung im Geldmuseum in Wien Dienstag und Mittwoch von 9.30 bis 15.30 Uhr, Donnerstag von 9.30 bis 17.30 Uhr und Freitag von 9.30 bis 13.30 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Interview

Interview mit Eleonore Stutz

Die 100-jährige gebürtige Micheldorferin Eleonore Stutz lebt seit Mitte der 1930er-Jahre in der Landeshauptstadt. Die ehemalige Mitarbeiterin der Linzer Tabakfabrik blickt auf die Einführung des Schilling im Jahr 1925 zurück.

  1. Wie haben Sie als Zehnjährige den Wechsel von Krone auf Schilling in Österreich wahrgenommen?

    Die Einführung hat eher die Älteren und Reichen betroffen, also mich nicht so sehr. Als Kind hatte ich zuvor aber schon deutlich gespürt, dass es eine schwierige Zeit war. Und dann habe ich gesehen, wie die Schilling-Einführung die Entwicklung des Landes nach und nach beeinflusste.
  2. Wie hatten Sie die Hyper-Inflation in den Jahren davor erlebt?


    Es konnte nur noch das gekauft werden, was unbedingt notwendig war. Statt gebundener Hefte mussten wir in der Schule lose Blätter verwenden, wenn überhaupt. Das Brot wurde bitterer. Statt Kornbrot gab es nur welches, das mit Hafermehl zubereitet wurde.
  3. 2002 wurde der Euro eingeführt. Sie waren damals 87 Jahre alt. Was ist Ihre Meinung dazu?

    Das hat mich nicht gefreut. Der Schilling bleibt der Schilling. Mit dem Euro ist gleich vieles teurer geworden. Das hat mich an früher erinnert.
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