Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

Bell war nicht der Erste

Von Klaus Buttinger   25.Juli 2015

  • Vor 150 Jahren präsentierte der italienische Erfinder Innocenzo Manzetti einen Apparat, der die menschliche Stimme übertragen konnte. Vielen gilt er – statt Graham Bell – als Erfinder des Telefons. 

Bell war nicht der Erste

Der Erfolg hat viele Väter, die Mutter des Erfolgs aber ist das Patent. Im Falle des Telefons haben mehrere Erfinder das Feld bereitet, bis Graham Bell das Patent übertragen wurde und damit Geld und Ruhm. Im Sommer vor 150 Jahren trat Innocenzo Manzetti, Erfinder und Wissenschafter aus Aosta, an die Presse und stellte seinen Sprachtelegrafen vor, den er schon 1844 im Kopf entworfen hatte. Der Italiener war ein technisches Genie.

Legendär ist sein Flötenspiel-Automat von 1849, der über einen Zylinder (wie bei einer Spieluhr) und einen Luftkompressor funktionierte. Er erfand aber auch so praktische Dinge wie eine Maschine zur Nudelerzeugung.

In Sachen Telefon war Manzetti nicht der Erste, aber ein Richtungsgeber. Dem deutschen Physiker und Erfinder Johann Philipp Reis fällt der Ruhm zu, das erste funktionierende Gerät zur Übertragung von Tönen über elektrische Leitungen gebaut zu haben. Er gab seinem Apparat, der mit von ihm erfundenen Kontaktmikrofonen ausgestattet war, den Namen „Telephon“. Es ist nachgewiesen, dass ab 1868 in Amerika am Reis’schen Telefon weiterentwickelt wurde.

Ein Italiener in Amerika

Im Herbst vor 150 Jahren ließ der gebürtige Italiener und Wahlamerikaner Antonio Meucci in einer amerikanischen Zeitung schreiben, dass er die Erfindung Manzettis nicht leugnen könne. Gleichzeitig verwies er auf seinen Telefon-Prototypen, der jedoch weit weniger ausgefeilt als jener Manzettis war. Bei Meuccis Apparat musste man eine Klemme zwischen die Zähne nehmen, in Manzettis Gerät konnte man frei sprechen. Während Manzetti seine Erfindung aus finanziellen Gründen nicht patentieren konnte, ließ sich Meucci die seine schützen.

Allerdings nur bis 1871, dann ging ihm das Geld aus, er konnte das Patent auf sein „caveat“ nicht verlängern, es lief 1873 aus. In die rechtliche Lücke stieß drei Jahre später der amerikanische Erfinder Alexander Graham Bell und ließ sein Telefon patentieren. Bald entspann sich eine hitzige Debatte über den wahren Erfinder des Telefons. Geklärt ist nur, dass Bell als Einziger von den Pionieren vom Fernsprecher monetär profitieren konnte.

Nach Forschungen italienischer Elektrotechniker von der Vereinigung Basilio Catania und entsprechendem Lobbying anerkannte das Repräsentantenhaus der USA 2002 das Patent Meuccis. Ein später Trost.

Die entscheidenden Rollen von Reis oder Manzetti blieben hingegen unterbelichtet, da sie nie Patente besaßen. Deshalb gelten beide bloß als Wegbereiter, nicht aber als Erfinder des Telefons.

Von Pferden und Gurkensalat

Telephon
Reis’ Apparatur, die der deutsche Erfinder „Telephon“ nannte.

„Das Pferd frisst keinen Gurkensalat“

Testsatz, gesprochen vom Erfinder Philipp Reis anlässlich der ersten Vorführung seines Telephons in Frankfurt 1861.

Acht Jahre nach Reis’ legendärem ersten Satz in sein „Telephon“ und schon vier Jahre nach Manzettis Prototyp bereichert ein Telefon bei der Vorläuferzeitung der OÖNachrichten, der „Linzer Tagespost“, die Redaktionskommunikation. Den Redakteuren dürfte es das Stiegensteigen aus der im dritten Stock befindlichen Redaktion erspart haben, weshalb in einer Notiz am 14. April 1869 vom Einzug der Neuerung positiv berichtet wird. Zudem ist dieser Text (siehe Faksimile) ein recht hübsches Beispiel für eine frühe Form der Produktplatzierung:

„Heute haben wir zur akustischen Verbindung des ebenerdig befindlichen Comptoirs der „Tagespost“ mit dem im dritten Stockwerke befindlichen Redaktionslokale ein Telephon aus der Fabrik des Herrn Dr. Fürntratt zu Graz erhalten, welches elegant ausgestaltet, vollkommen zweckentsprechend und sehr billig ist, so daß wir derartige Apparate bestens empfehlen können.“

80 Telefonteilnehmer in Linz

In der Folge treten die Fernsprechapparate einen Siegeszug durch die reichen Länder an. Die erste Fernsprechvermittlungsstelle Österreichs geht Ende 1881 in Wien in Betrieb. Vier Jahre später zählt die erste Telefonzentrale in Linz 80 Teilnehmer. 1896 entwickelt und patentiert Erickson die Wählscheibe, eine Voraussetzung für das Selbstwählen, das erst 1928 für Wiener Teilnehmer möglich wird. Ab 1941 gibt es für die Linzer eine selbsttätige Zeitansage.

1953 wird die amtliche Zensur von Auslandstelefonaten und -telegrammen aufgehoben, und 1967 wählt sich das erste Funktelefon ins österreichische Festnetz ein. Erst später, Ende der 1970er-Jahre, kommt das Tastentelefon in die Haushalte, und erst 1990 werden die in Österreich üblichen Viertelanschlüsse aufgelöst.

Mit dem Weihnachtstag 1999 wird auch der letzte Teilnehmer im österreichischen Telefonnetz zu einer digitalen Nummer.

 

Steitt
Ute Steitt    

Nachgefragt bei...

Nachgefragt bei...


Ute Steitt, Sammlungsleiterin für Technikgeschichte und Wehrkunde am Oberösterreichischen Landesmuseum

  1. Wie viele Telefone befinden sich im Besitz des OÖ. Landesmuseums?

    Wir haben rund 120 Telefonapparate in der Sammlung, wenn ich die Feldtelefone dazuzähle, sind es 150.
  2. Aus welchem Jahr stammt Ihr ältestes Telefon?

    Das ist ein Skelett-Tischtelefon aus dem Jahr 1890, das auch in der Dauerausstellung Technik im Südtrakt des Linzer Schlosses ausgestellt ist.
  3. Welchen würden Sie als skurrilsten Apparat der Sammlung bezeichnen?

    Ein frühes Wählscheibentelefon, auf dem noch die Anleitung drauf ist, wie es funktioniert. Es ist insofern interessant, als die Jugend von heute diese Form des Wählens nicht mehr kennt.
  4. Woher stammt die Sammlung?

    Sie begründet sich auf zwei privaten Sammlungen. Franz Rakoczy und Hermann Huemer haben Telefone, aber auch Fax-Geräte, Telex und Geräte für BTX und Teletext gesammelt und uns gegeben. Die beiden Sammlungen sind ein Schwerpunkt der technikgeschichtlichen Sammlung unseres Museums.
  5. Finden darin auch neuere Telefone Eingang?

    Ein Museum muss in der Gegenwart kaufen, was es in der Zukunft braucht. Insofern kaufe ich laufend Telefone an; kürzlich zwei skurrile, eines mit Straußenfedern, das andere in Stöckelschuhform und in Pink.
copyright  2024
29. März 2024