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Glockenstuhl und Eiffelturm

Von Martin Dunst   19.Februar 2015

  • 1902: Die neuen Linzer Domglocken werden geweiht. Seither schauen die "Immaculata" und ihre sechs Schwestern auf eine bewegte Vergangenheit.
  • Damals wie heute schafft es das Geläut in die Schlagzeilen.

Glockenstuhl und Eiffelturm

Nach zahllosen schmalen Stufen, die sich im Halbdunkel nach oben winden, ist das dritte Turmgeschoß im Linzer Mariendom erreicht. Hier thront die Immaculata-Glocke in ihrem stählernen Glockenstuhl. Der Nachschlag zur vollen Stunde dröhnt zwar, ist aber nicht ohrenbetäubend. "Linz besitzt das einzig vollständig erhaltene Großgeläute aus der Zeit der Jahrhundertwende im deutschen Sprachraum", sagt Dommeister Clemens Pichler.

Er lenkt den Blick von der mächtigen Glocke hin zu der imposanten Stahlkonstruktion. "Die vernieteten Verstrebungen erinnern entfernt an den Eiffelturm. Das Pariser Wahrzeichen war tatsächlich das Vorbild für den Glockenstuhl. Stahl war damals modernstes Material."

Seit sich Bischof Rudigier 1855 entschlossen hatte, einen Dom zu Ehren der Mutter Gottes zu bauen, zog die Großbaustelle Künstler und Baumeister von internationalem Rang an. Die erste Glocke war die Arbeitsglocke, die über Jahrzehnte den Arbeitern Beginn und Schluss ihrer Schicht verkündete.

Die erste Kirchenglocke

Die erste Kirchenglocke

Im Schlepptau des Dommeisters gelangt man durch eine Dachluke an die Außenseite des Kirchturms. Der Blick über Linz ist atemberaubend. In einem Türmchen an der Votivkapelle hängt die erste Kirchenglocke. Die Annaglocke wiegt zarte 25 Kilo und läutete zum ersten Mal am 29. September 1869.

Noch vor Beginn des Turmbaues bestellten die Bauherren das Domgeläute. Diese ehrenvolle Aufgabe übernahm der Glockengießer Johann Michael Peteler aus Steyr. Weil der Glockenklang nicht ganz rein über die Stadt tönte, wurde zur Jahrhundertwende ein neues Geläute international ausgeschrieben. Der aus dem Innviertel abstammende Glockengießer Anton Gugg aus Linz erhielt den Zuschlag. Die Glocken-Weihe fand am 30. April 1902 durch Bischof Franz Maria Doppelbauer statt. Der Andrang war groß. "Am Abend wurde der Kirchturm mit Glühbirnen beleuchtet", schreibt der Glockenexperte der Diözese, Siegfried Adlberger.

Zum Läuten der sieben Glocken waren anfangs 16 Männer notwendig. Doch bereits 1903 wurde auf einen elektronischen Antrieb umgestellt. Im Ersten Weltkrieg wurden viele Kirchenglocken eingeschmolzen und zu Kanonen verarbeitet. Dem Geläut im Dom blieb dieses Schicksal erspart. Im Zweiten Weltkrieg sollte die Immaculata zerschlagen werden. Ihre sechs Schwestern wurden nach Hamburg zum so genannten Glockenfriedhof verschifft. Die Tochter des damaligen Dombaumeisters, Martha Schlager-Haustein, setzte sich bei den Schwestern von "Reichsmarschall" Hermann Göring ein. Die Glocken kehrten nach dem Krieg unversehrt zurück.

Angesichts dieser bewegten Geschichte in den vergangenen gut 100 Jahren ist der aktuelle Rechtsstreit um die Lautstärke der Glockenschläge wohl nur eine Episode. Nach wie vor Gültigkeit hat ein Wunsch, der 1958 in den OÖNachrichten formuliert wurde: Mögen Glocken sich nie mehr in Kanonen verwandeln müssen.

 

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