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Ein Ort der Weltliteratur

Von Von Peter Grubmüller   17.Februar 2015

  • 1965: Vor 50 Jahren ließ sich der Schriftsteller Thomas Bernhard (1931-1989) in Obernathal in Ohlsdorf in einem damals verwahrlosten Bauernhaus nieder. 

Ein Ort der Weltliteratur

„Wenn man Thomas Bernhard auf den Spaziergängen begegnete, so glaubte man eher, da habe ein Bauer einen neuen Knecht eingestellt, den man eben noch nicht kennt“ – das sagte der Kirchenwirt von Ohlsdorf unmittelbar nach dem Tod des Dichters. Nein, wie ein Städter habe sich Bernhard (1931– 1989) nie aufgeführt – dazu schütteln die Ohlsdorfer, die dem Dichter begegneten, noch heute die Köpfe. Und jeder, bei dem es sich biologisch ausgeht, ist ihm begegnet – viele mit Argwohn, aber immerhin.

1965 kaufte der erst von eher schüchternen literarischen Erfolgen bekannte Bernhard diese 500 Jahre alte, heruntergekommene Kombination aus Vierkant- und Vierseithof in Obernathal – mit dem Geld seiner Tante. Es war das Haus, auf das Johann Maxwald, der die Landwirtschaft in unmittelbarer Nachbarschaft betrieb, gespitzt hatte, er hatte den Kaufpreis dafür schon verhandelt. Schlechter hätten die Voraussetzungen von Bernhards Ansiedelung also gar nicht sein können. „Ich war perplex und wütend zugleich“, schreibt Maxwald in seinen Erinnerungen „Mein Nachbar – Thomas Bernhard“.

Im Laufe der Jahre renovierte Bernhard das Gebäude. Wenn er nicht gestört werden wollte, ließ er sich von Maxwald verleugnen, weil – wie der Schriftsteller sagte – viele Besucher „ja nur Bernhard schauen gehen, so wie man in einem Zoo einen Affen besichtigt.“ Bernhard bemühte sich, das bäuerliche Leben nachzuahmen, er trat dem Bauernbund bei, und auf seinem Traktor ließ er ein Schild mit der Aufschrift „Thomas Bernhard, vulgo Bauer zu Nathal“ anbringen. Er veranlasste den Bau eines kleinen Kuhstalls samt Jauchegrube, um einmal in Zeiten, in denen seine Texte niemanden mehr interessieren würden, über die Runden zu kommen.

Diese Zeiten erlebte Bernhard nicht mehr, allerdings sehr wohl die Episode, als der Ohlsdorfer Zimmermann Karl Hutterer während eines Streits mit der Wirtin im Gasthaus Asamer damals noch ohne zu gendern sagte: „Du bist der gleiche Spinner wie der Bernhard.“ Darauf die Mitzi: „Das kannst du ihm selbst auch sagen, der sitzt da am Nebentisch.“ Hutterer entschuldigte sich beim lächelnden Bernhard, dem das gar nichts ausmachte. Er habe Hutterer sogar auf ein Getränk eingeladen, erzählt Johann Maxwald, „weil Bernhard Menschen schätzte, die die Wahrheit sagten.“

Seit 1965 ist Ohlsdorf nicht bloß ein Traunviertler Ort mit 4600 Einwohnern. Seit 50 Jahren ist es gewordene Literatur. Und auch wenn die Besucher weniger werden, bleibt das Bernhard-Haus jedes Jahr von Karsamstag bis 31. Oktober an Wochenenden und Feiertagen geöffnet.

Interview mit Johann Maxwald

Johann Maxwald
Johann Maxwald (88), Thomas Bernhards ehemaliger Nachbar in Ohlsdorf  

"Er wollte uns nie nahe sein"

Nachgefragt bei Johann Maxwald (88), Thomas Bernhards ehemaliger Nachbar in Ohlsdorf

  1. Sie haben einmal bedauert, dass Sie Thomas Bernhard nie das Du-Wort angeboten haben. Warum kam es nicht dazu?

    Ich hätte mich das nie getraut. Hier waren alle mit ihm per Sie. Es hätte sicher Gelegenheiten gegeben, zum Beispiel bei seinem Bruch mit dem Hennetmair (Karl Ignaz Hennetmair war Immobilienhändler, den Bernhard in der Erzählung „Ja“ als „Realitätenhändler Moritz“ aufgreift, Anm.). Er wollte uns aber auch nie nahe sein. Einmal haben wir ihn zu einer Dichterlesung eingeladen, er hat zugesagt, das Programm und alles war gedruckt, dann hat er zwei Tage vor der Lesung abgesagt.
  2. Wie war er als Nachbar?


    Ja – abgesehen von üblichen Meinungsverschiedenheiten, hat es nie was gegeben. Er war freundlich und nicht nachtragend.
  3. Welche Meinungsverschiedenheiten waren das?


    Er hat sich über den Bau meines Schweinestalls aufgeregt (Bernhard erwähnt den Schweinestall in „Der Theatermacher“ und „Der Untergeher“, Anm.). Die Adaptierung der Grundgrenzen und Gasbohrungen, die hier stattgefunden haben, waren ihm auch z’wider. Er hat mir Briefe geschrieben, nicht beleidigende, aber sehr harte. Wenn wir uns begegnet sind, haben wir nie darüber gesprochen, sonst wäre es vielleicht verletzend geworden.
  4. Haben Sie Bernhards Bücher gelesen?


    Ja, rund 15. Meine Lieblingsliteratur ist es nicht, ich habe ja auch nur die Volksschule, vielleicht verstehe ich es nicht.
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28. März 2024