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Als die Autos plötzlich Pickerl trugen

Von Hermann Neumüller   06.Oktober 2015

  • Ölpreisschock: Im Oktober 1973 überfielen ägyptische Truppen Israel.
  • Die Welt sah sich nicht nur dem vierten arabisch-israelischen Krieg seit 1948 gegenüber, die Ölländer des Nahen Ostens entdeckten den Rohstoff als wirksame Waffe gegenüber den USA - aber in erster Linie litt Europa darunter.

Autofreier Tag

Die österreichischen Autofahrer mussten sich entscheiden: An welchem Wochentag verzichte ich auf meinen fahrbaren Untersatz? Auf den Windschutzscheiben prangten ab Jänner 1974 Pickerl mit dem Kürzel eines Wochentages (siehe Foto oben). D

Was war geschehen? Am 6. Oktober 1973 überfielen ägyptische Truppen Israel. Der junge Staat musste sich zum vierten Mal seit seiner Gründung 1948 gegen die arabischen Nachbarn wehren. Aber bei diesem Krieg, der nur bis zum 26. Oktober dauerte, entdeckten die Araber, dass ihr Rohöl eine veritable Waffe gegen den wichtigsten Verbündeten der Israelis, den USA, sein kann. Die OPEC erhöhte während des Krieges nicht nur den Ölpreis markant, sie drosselte auch die Förderung.

Am 17.Oktober 1973 stieg der Ölpreis von rund drei US-Dollar pro Barrel auf über fünf Dollar. Im Verlauf des nächsten Jahres stieg der Ölpreis weltweit auf über zwölf US-Dollar.

Der Jom-Kippur-Krieg war Auslöser für den ersten Ölpreisschock.

Zäsur für die Weltwirtschaft

Zäsur für die Weltwirtschaft

Die westlichen Industriestaaten traf die Ölpreis-Explosion wie ein Schock. Billiges Öl galt bis dahin als Grundvoraussetzung für das Wirtschaftswachstum der Volkswirtschaften und für den Wohlstand hier in Europa als auch in den USA.

Die Regierungen mussten reagieren und taten dies mit drastischen Maßnahmen: Tempolimits auf der Autobahn oder eben autofreie Tage wie eben in Österreich. Ab 14. Jänner 1974 musste jedes Auto ein Pickerl für den jeweils gewünschten Wochentag tragen. Bald tauchte freilich auf vielen Windschutzscheiben ein zusätzliches „S-Pickerl“ auf. S stand für Sondergenehmigung. Wer dieses begehrte Pickerl trug, durfte immer fahren. Es wurde zum Prestige, ein „S-Pickerl“ zu haben.

Nach fünf Wochen war der Pickerl-Spuk vorbei. Nicht aber die dramatischen Auswirkungen auf die Wirtschaft. Die Inflation stieg und gleichzeitig rutschten die meisten Volkswirtschaften der westlichen Welt in die Rezession. Der Fachbegriff „Stagflation“ wurde geprägt: Inflation bei gleichzeitiger Stagnation. Es war eine Zäsur für die Weltwirtschaft. Das Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit war vorbei.

Bald war der Spuk vorbei. 

So ernst der Hintergrund auch war, es gab auch durchaus Grund zum Schmunzeln, als der damalige Bundeskanzler Bruno Kreisky den österreichischen Männern die Nassrasur ans Herz legte, um Energie zu sparen. Wie viele Österreicher den Sparappell des „Sonnenkönigs“ ernst nahmen, ist nicht überliefert.

Aus der Zeit des ersten Ölpreisschocks – der zweite folgte 1979 nach der iranischen Revolution – stammen auch die Semesterferien im Februar. Die hießen damals „Energieferien“, weil man hoffte, durch die Schließung der Schulen Öl sparen zu können. Den Wert dieser Ferien für ihre Belange erkannte die Tourismus-Wirtschaft schnell. So wurde aus einer ursprünglichen Energiesparmaßnahme schnell eine Institution, die Hotelbetten füllte.

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