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Wie ein schmächtiger Außenseiter zum Diktator und Massenmörder wurde

Von Peter Grubmüller   16.April 2021

Heute würde man solche Typen Freaks nennen: Jugendliche, die ob ihrer Sonderling-Rolle keine Freunde finden, aber von sich derart überzeugt sind, dass es ihnen egal ist. So einer will aus der Heldensage "Wieland der Schmied" eine Oper im Stile Wagners komponieren, ohne Noten schreiben zu können. Und seinem für alles Germanische schwärmenden Geschichtslehrer Leopold Pötsch holt er in der Linzer Realschule die Landkarten aus dem Lehrmittel-Kammerl, weil er die Prüfungsfragen nicht beantworten kann.

Wer wie Adolf Hitler als Stümper gilt, der versteigt sich ebenso gerne zu simplen Feindbildern. Und die schwirrten von der Rassenhygiene bis zum Deutschnationalismus in hoher Dichte durch die Luft des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts.

Wie ein schmächtiger Außenseiter zum Diktator und Massenmörder wurde

24 prägende Jahre

Die hervorragende Ausstellung "Der junge Hitler – Prägende Jahre eines Diktators 1889–1914" im Linzer Stadtmuseum Nordico weist nach, dass Adolf Hitler die katastrophalen Überzeugungen nicht erst in München geimpft wurden. Sondern im Innviertel, in Linz und in Wien, wo Hitler seine ersten 24 Lebensjahre verbrachte.

Die Historiker Hannes Leidinger und Christian Rapp hatten diese Schau für das Haus der Geschichte in St. Pölten zusammengetragen, für Linz wurde sie ergänzt. Unter anderem mit den erstmals öffentlich gezeigten 31 Briefen des Vaters, Alois Hitler, die der Historiker Roman Sandgruber in dem Buch "Hitlers Vater" verarbeitete. Außerdem eine Auswahl der jüngst entdeckten Landschaftszeichnungen von Hans Posse, Sonderbeauftragter Hitlers für den Aufbau der Sammlung Linz ("Führermuseum"). Und das Manuskript zur ersten Jugend-Biografie Hitlers (1956) von seinem einzigen Jugendfreund August Kubizek.

Die Spurensuche, wie sich der sich selbst erhöhende Rotzlöffel zum Mörder von 60 Millionen Menschen verwandelt hat, setzt im Jahr 1945 und beim Ausmaß von Völkervernichtung und Krieg an. Im nächsten Moment rollt sie die politische, soziale, kulturelle Chronologie ab 1889 (Hilters Geburtsjahr) auf.

Durch die Raumdiagonalen zieht sich auf dunklen Blöcken Hitlers Biografie-Achse. An den Wänden offenbart sich der Kontext einer sich an Militarismus, Germanentum und Rassismus ergötzenden Gesellschaft. Mit dem Ergebnis: In seiner Gesinnung war Hitler kein Sonderling. Seine Überzeugungen waren Mainstream. Dieses Faktum wurde noch nie so überzeugend belegt wie in dieser Ausstellung, die zur Pflichtveranstaltung aller oberösterreichischen Schulen werden sollte. Digitale Angebote stehen zur Verfügung, bei einem physischen Besuch sind aktuell 30 Personen gleichzeitig im Nordico erlaubt.

Im Buchladen des Linzer "Germanenbündlers" Sepp Steurer ließ sich Hitler von deutschnationalen Schriften zum Arierwahn inspirieren. Im Linzer Landestheater fieberte der Schulabbrecher lustvoll bei Richard Wagners Opern "Lohengrin" und "Rienzi" mit.

"Es ist Tatsache, dass es in Linz ein besonders antisemitisches, deutschnationales, radikales, moralisch verkommenes Kleinbürgertum gegeben hat", sagte der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) bei der gestrigen Eröffnung. Vielleicht falle Menschen, die auch heute für Ausgrenzung und Sündenbock-Theorien anfällig sind, die Einsicht durch diese Ausstellung leichter. Luger: "Partiell sind die Prozesse in der Gegenwart sehr ähnlich. Nämlich Menschen, Gruppen, Religionen zu stigmatisieren und sie für Fehlentwicklungen verantwortlich zu machen."

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