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Wie das Nextcomic gewesen wäre

Von Nora Bruckmüller (Text) und Volker Weihbold (Fotos)   12.März 2020

Um 13.07 Uhr verließen die OÖNachrichten das OÖ Kulturquartier in Linz, wo ab heute Abend die Ausstellungen des Nextcomic-Festivals zu sehen gewesen wären. Wären. Um 13.28 Uhr erreichte die Redaktion ein Email:
Die Museen des Landes werden verständlicherweise und zum Wohle aller komplett geschlossen.

Auch wenn eine Art virtueller Gang durch ausgewählte Schauen im Festivalzentrum einen echten Besuch nicht aufwiegen kann, wollen die OÖNachrichten in Wort und Bild ihre Einblicke teilen. Im OÖ Kulturquartier wurden sorgfältig, liebevoll und mit hohem Zeitaufwand Werke von gut 180 Künstlern kuratiert. So würdigen wird, was die Veranstalter geleistet haben. Und bieten Lesestoff, der in Zeiten des Kultur-Fastens doch Auseinandersetzung mit Kultur bieten kann.

„Die Kunstschaffenden“
Im Erdgeschoss führt der Raum, der „den Kunstschaffenden“ gehört, reich an Kontrasten und Spannungsfeldern mitten hinein in das Festivalthema: Rollenbilder. Katja Klengel setzt sich in ihren Werken mit Delikatem auseinander – dem Frausein in scheinbar aufgeklärten Zeiten. Skizzen und Drucke unterschiedlichen Formats erzählen an der großen, weißen Wand in bildhübscher Hängung vom lässlichen Tabu der Regelblutung – ein mit Bleistift skizziertes Unterhöschen flattert im Wind an der Wäscheleine, gut sichtbar im Schritt: eine Slipeinlage.

Gut sichtbar daneben die anatomische Würdigung eines Körperteils, den nicht (jedermann) auf Anhieb zu finden vermögen soll: die Klitoris. Klengels Werks prägt die Farbe Rosa in hellen und dunklen Nuancen. Bei Rosa sehen nicht wenige Feministinnen Rot, weil sie für die Schubladisierung des weiblichen Geschlechts von Kindheit an steht. „Klengel sagt, die Feministinnen sollten sich die Farbe Rose zurückerobern“, sagt Kuratorin Katharina Acht. „Das ‚kleine‘ Rot war einmal eine Herrenfarbe.“  Klengels Comics verleiht es eine bestimmte Lieblichkeit, die die Fallhöhe ihrer gezeichneten Witze stärkt.
 

Arbeiten von Katja Klengel: "Feministinnen sollten sich Rosa zurückerobern."

 

„Die feuerrote Friederike“

Es gibt kaum Gründe, Christine Nöstlinger (1936 bis 2018) nicht zu mögen. Generationen schenkte sie bezaubernde, freche Kinderbücher, öffentlich nahm sie kein Blatt vor den Mund. Einen mitunter neuen Grund, die Literatin gut zu finden, sind ihre Illustrationen ihres Kultwerks „Die feuerrote Friederike“. Im ersten Stock des Kulturquartiers (Gewölbesaal) liegen sie – Originale aus dem Nachlass der Autorin – in Vitrinen.

DIN-A4-Blätter, von Nöstlinger per Hand mit Friederikes Geschichten beschrieben oder mit der Maschine „betippt“, erzählen von ihrem Talent – von dicken Gesichtern, voluminösen Körpern mit dunklen Konturen und von wilden Mädchenhaaren, die sich wie ein Heiligenschein um das blasse, runde Gesicht ranken und in dem  Feuerrotes in Pink und Magenta übergeht. 

Acht: „Nöstlinger hat an der Akademie der Bildenden Künste studiert. Sie hat ihr Studium aber nie abgeschlossen, weil sie sich selbst als zu untalentiert befand.“

"Die feuerrote Friederike": Illustration der Autorin Christine Nöstlinger

 

 

Munichthal

Farbenfroh, kleinteilig, voller Muster und Details und extrem frech präsentieren sich die unzähligen Gemälde von Munichthal, hinter dem sich der Linzer Harald Schindelka verbirgt. Sie machen die Club-Galerie der Ernst-Koref-Stiftung im ersten Stock zu einem Schrein für die Unterwanderung von Ikonen der Animationskunst und Malerei im Stil der Popart. Mickey Mouse zeigt ungerührt den Stinkefinger, die sonst so milde lächelnde Mona Lisa beugt sich nach vorne und hebt die Robe. Asterix, Obelix, Idefix, Donald Duck und Mickey Mouse leben in einem prächtigen Kontext der Freiheit neu auf. Es müssen tausende Pinselstriche gewesen sein. Deshalb war Munichthal beim Hängen schon gehandicapt – von einer Sehnenscheidenentzündung. Acht: „Weil er für die Schau gemalt, gemalt und gemalt hat.“
 

Der Wolf als Opfer, die Großmutter als Bösewicht

Eine göttlich verkehrte Welt im Sinne des Generalthemas „Rollenbilder“ hat Comickünstler Michael Wittmann im ersten Stock geschaffen, er arbeitet auch für die österreichische Comicbuchreihe „Austrian Superheros“ ("ASH") Vorgenommen hat er sich den Stoff von Rotkäppchen. In seiner Version, seriell in großformatigen Drucken erzählt, wird Rotkäppchen zur reschen Heldin, der Wolf zum lammfrommen, unterwürfigen Hündchen und die Oma zur bösen Schurkin mit Superkräften. Vom Stil her ist seine Reihe eine Hommage an den großen US-Comickünstler und Herausgeber Jack „King“ Kriby (1917 bis 1994). Das macht sie kraftvoll, dynamisch und in einem guten Sinne futuristisch.

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28. März 2024