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Weltpolitik mit wuchtigem Strich

Von Peter Grubmüller, 30. November 2019, 00:04 Uhr
Weltpolitik mit wuchtigem Strich
Haitzingers "Turmbau zu Babel" Bild: VOLKER WEIHBOLD

Der in Traun aufgewachsene Karikaturisten-Star Horst Haitzinger beendet seine 60-jährige Zeichner-Karriere.

Aus dem Radio dröhnen Neuigkeiten über Donald Trump, Boris Johnson, den Brexit und dergleichen. "Himmlisch – und mir muss nichts mehr dazu einfallen." Hätte sich Horst Haitzinger nicht selbst in seine allerletzte Karikatur (Bild oben) dazugezeichnet, es wäre in Gedanken ein Bild dazu entstanden, wie er erleichtert mit einer Tasse Tee in seiner prall gefüllten Wohnung im Münchner Stadtteil Schwabing sitzt.

Gut 60 Jahre lang hat der 1939 in Eferding geborene und in Traun aufgewachsene Karikaturist mit wuchtigem Strich die Tagespolitik beißend wie ironisch kommentiert. Unter anderem für den "Spiegel", die "Bunte", die "tz", die "Nürnberger Nachrichten" und die OÖNachrichten. Morgen, am 1. Dezember, ist für den wohl Berühmtesten seiner Zunft im deutschsprachigen Raum Schluss. Und warum? "Ich bin heuer 80 geworden, mit diesem Alter ist man kein Frührentner mehr. Und ich wollte aufhören, bevor andere merken, dass sich bei mir Ermüdungserscheinungen eingestellt haben", sagt Haitzinger im Gespräch mit den OÖN. "Diese Peinlichkeit wollte ich mir sparen."

Und da gibt es auch noch einen zweiten Grund: Er genieße es nach all den Jahren, nicht mehr zu allem eine Meinung haben zu müssen. "Außerdem wird Politik immer komplexer – aber Satire lebt von der Vereinfachung. Das Blöde ist, man kann kaum noch etwas vereinfachen. Wenn man komplizierte Dinge simplifiziert, können sie nur falsch sein." Dass ausgerechnet jenen politischen Parteien am lautesten applaudiert werde, die diese komplexen Zusammenhänge populistisch verkürzt in die Welt posaunen, sei "das Erschreckendste an unserer Gegenwart". Haitzinger: "Noch vor zehn Jahren hätte es auch keiner für möglich gehalten, dass es einmal einen amerikanischen Präsidenten dieser Ausgabe gibt, die wir jetzt haben."

Haitzinger spricht mit unaufgesetzter Sorge. Obwohl man annimmt, dass diesen Mann nichts mehr aus der Ruhe bringt. Man meint, er habe schon alles erlebt: Die Alliierten hatten soeben Linz bombardiert, als sie die letzten Bomben des Zweiten Weltkriegs über Traun abwarfen. "Ich war fünf, saß im Luftschutzkeller und war in Sicherheit", sagt Haitzinger. Sein Vater, Gendarmerie-Postenkommandant in Traun, war nach Hause unterwegs. Er wurde von einem Splitter getroffen und starb noch am Unglücksort.

Alle waren gleich

"Natürlich war ich damals traurig, aber ich kann mich nicht erinnern, dass ich anhaltend darunter gelitten hätte. In dieser Zeit hatte jede Familie so etwas zu bewältigen. Das hat uns alle gleich gemacht", sagt Haitzinger. Seine Mutter arbeitete Tag und Nacht, um ihm den Besuch der Kunstgewerbeschule in Linz (heutige Grafik-HTL in der Linzer Goethestraße) zu ermöglichen. 1957 ging er nach München, an der Akademie der Bildenden Künste studierte er Malerei und Grafik. "Ein Sehnsuchtsort war München für mich deshalb, weil es dort den Simplicissimus gab, die bedeutendste satirische Zeitung dieser Zeit." Wöchentlich habe er die Simplicissimus-Redaktion mit seinen Einfällen genervt, "und mit 19 durfte ich mein erstes Simplicissimus-Titelblatt zeichnen."

Sein übergroßes Vorbild war und ist Wilhelm Busch. Als zeichnerisch am schwierigsten in den Griff zu kriegen sei Erich Honecker gewesen. "Und als ich ihn endlich konnte, hat sich die DDR aufgelöst."

Am liebsten ist Haitzinger daheim. Ausflüge in sein nahes Wochenendhaus in Schrobenhausen genügen ihm als Reise. Dort entstehen seine mächtigen Ölgemälde. Wie etwa der "Turmbau zu Babel", stilistisch angelehnt an Pieter Bruegel den Älteren, bloß bei Haitzinger durchbricht das Bauwerk die Wolken. Verkaufen will er seine Werke nicht, "weil ich einen Preis verlangen würde, den sowieso keiner bezahlt".

Politische Informationen bezog er jahrzehntelang aus dem Radio, einen Fernseher besitzt er erst seit zehn Jahren. Haitzinger: "Vor rund 100 Jahren hab’ ich meine Frau geheiratet, und wir haben jeden Tag davon geredet, morgen einen Fernseher zu kaufen. Trotzdem ist er uns nie abgegangen – und Radio setzt die Fantasie viel besser in Gang. Zu meiner Inspiration hätten Bilder von Schießereien, Bombenanschlägen oder in Akten blätternden Politikern nichts beigetragen." Er werde das alles weiterhin verfolgen. Und es werden weiterhin Bilder in ihm aufsteigen. "Aber ich verspreche Ihnen, zeichnerisch rückfällig werde ich nicht!"

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Autor
Peter Grubmüller
Ressortleiter Kultur
Peter Grubmüller

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1  Kommentar
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NeujahrsUNgluecksschweinchen (26.172 Kommentare)
am 30.11.2019 08:51

Schade, ua. seine Wasserkopf-Erde wird fehlen.

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