"Was hat Marlen Haushofer falsch gemacht?"
Die Literaturtage Steyr bescherten drei Tage lang spannende Texte, Diskussionen und Einblicke in Marketing-Strategien von Verlagen.
"Ein Text behauptet sich nicht, weil er gut ist", sagte Karin Fleischanderl am Wochenende bei den Literaturtagen Steyr, die Corona-bedingt von Innenhöfen der Stadt ins Museum Arbeitswelt verlegt worden waren. Die Autorin, Übersetzerin und Festival-Chefin kritisierte damit die Marketing-Strategien der Verlage, die den Literatur-Betrieb in einen genauso gefräßigen Organismus wie alle Wirtschaftszweige verwandelt hätten.
Es lüfteten sich insgesamt bemerkenswerte Einblicke in das literarische Schreiben und dessen Verwertung. Wie konnte es etwa passieren, dass die die Rechte verwaltenden Verlage Zsolnay und Ullstein im 2020er-Jahr, in dem sich Marlen Haushofers Todes- und Geburtstag zum 50. bzw. 100. Mal jährte, keine Sonder- oder Gesamtausgabe der Steyrer Schriftstellerin aufgelegt haben? Literaturwissenschafterin und Moderatorin Daniela Strigl stellte gar die Frage, was die aus bürgerlicher Umklammerung zaghaft ausbrechende Marlen Haushofer im Vergleich zum literarischen Pop-Star Ingeborg Bachmann falsch gemacht habe, da sie trotz aller Meriten für die Frauenliteratur in Deutschland bis heute bloß als Geheimtipp gehandelt werde.
Um Haushofer zu ehren, hatte Fleischanderl ausschließlich Schriftstellerinnen zu Lesungen ihrer eigenen Texte und Debatten über Haushofer eingeladen. Fazit: Während sich reifere Autorinnen wie Marlene Streeruwitz (*1950) und Evelyn Grill (*1942) selbstredend mit Haushofers Werk beschäftigt haben, wurden jüngere Branchen-Stars wie die mit der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2019 geadelte Raphaela Edelbauer (*1990, "Das flüssige Land") und die mit dem besten Debüt beim Österreichischen Buchpreis ausgezeichnete Angela Lehner (*1987, "Vater unser") davon kaum gestreift.
Dass Lehner zudem bekannte, von Thomas Bernhards Literatur kaum "entertaint" zu sein, ermöglicht zwei Erkenntnisse: Entweder treffen die Marketing-Strategien der Verlage tatsächlich ins Schwarze, oder – und das wäre die bessere Nachricht – Literatur durchlebt im digitalen Zeitalter dynamische Erneuerungsprozesse.
Wer sich intensiver mit Haushofer beschäftigen möchte, hat am 9. Oktober (19.30 Uhr) beim Steyrer Literaturherbst im "Alten Theater" alle Gelegenheiten: Marlene Krisper, Josef Preyer, Michaela Frech und Till Mairhofer sprechen über Initiativen für Haushofer und ihre persönlichen Leseerfahrungen.