"Tribüne": Dieser Bahnwärter Thiel wirkt lange nach
Weil sein geliebter Sohn Tobias, unbeaufsichtigt von seiner Stiefmutter, von einem Zug überrollt worden ist, greift er zur Selbstjustiz. Er erschlägt seine zweite Frau Lene, bringt sein Kleinkind um. So das dramatische Ende des Dramaklassikers von Gerhart Hauptmann. Das Linzer Theater Tribüne hat sich dieses Stoffes angenommen – und in der Machart ist ein nachwirkendes Produkt gelungen.
Wenn der Zug naht
Drei fantastische, bestens in den Rollen verhaftete Schauspieler agieren in pausen- wie atemlosen 105 Theaterminuten faktisch als Pantomimen. Sie geben auf der gewohnt spartanischen Tribüne-Bühne einer eingesprochenen Erzählung Leben. Die gefühlvolle Inszenierung von Cornelia Metschitzer ist ein Mix aus Hörspiel, Pantomime und Filmplot mit eingespielten Sequenzen. So wird der herannahende Zug, der den behinderten Tobias (Gina Christof) im nächsten Augenblick überfahren wird, zum beklemmend-plastischen Erlebnis.
Rudi Müllehner gibt seinem Bahnwärter Thiel mit geringem Aufwand viel Fleisch und Seele. Gina Christof erfüllt die Rolle des Tobias mit einer liebenswürdigen Menschlichkeit. Freude und Leid werden auf diese Art potenziert und lassen einen stimmigen Charakter entstehen. Auch als Thiels erste Frau Minna (und später deren Geist) ist Christof immer in der Spur. Paula Kühn ist als Lene eine herausragende, körperlich kraftvolle wie seelisch brutale Idealbesetzung. (att)
Fazit: Ein klassischer Stoff, der dank der Machart, den Regieeinfällen und den Schauspielern ein Theatererlebnis ist.