Stöbern im Jazz-Supermarkt
Zum Jubiläum hat sich das Team um Intendant Mario Steidl einen Relaunch verpasst, hat die Zahl der Konzerte auf beinahe achtzig hinaufgeschraubt und etliche neue Spielstätten eröffnet.
Man will den Jazz in die Stadt tragen und veranstaltete kleine Gigs in einer Buchhandlung, im Bezirksgericht, einem Museum, einem Restaurant und und und – vieles davon kostenlos. Man wolle dem Jazz dadurch neue Publikumsschichten erschließen, ein löbliches Vorhaben. Andrerseits bekommt das Festival auch etwas Konsumrauschartiges. Selektion war angesagt, verbunden mit der Gefahr, Wesentliches zu verpassen. Dafür waren manche DJ Sessions auf der Citystage entbehrlich, aber man konnte dort auch unter anderem den charmant swingenden Bluesjazzrock der deutschen Band "Botticelli Baby" genießen. Auf der Hauptbühne im Congress eröffnet am Freitag der Tradition folgend ein österreichisches Projekt. Da wird meist aus dem Vollen geschöpft, große Band, große Komposition. Diesmal konterte Bassist Manu Mayr mit einem Duo mit der Bassklarinettistin Susanna Gartmayer. Mutig, eine leise, sehr ruhige, reduzierte Performance zu bieten. Mucksmäuschen still war es im Saal, am Ende belohnte beide tosender Applaus.
Auch bei den Shortcuts im Kunsthaus Nexus hinterließ ein Duo Nachhaltiges. Der Innviertler Trompeter Lorenz Raab unterhielt sich mit der New Yorker Pianistin Sylvie Courvoisier auf Augenhöhe, gute Argumente wurden ausgetauscht, Leichtigkeit und Perfektion vermittelt.
Starke Mitstreiterinnen
Courvoisier trat noch einmal in Erscheinung, in einem Quartett mit dem Saxofonisten Ken Vandermark, dem Trompeter Nate Wooley und Drummer Tom Rainey. Jeder bringt seine Stücke ein. Das bietet Abwechslung und individuelle Färbung, ist modern und anspruchsvoll, eine fast schon klassisch gewordene Avantgarde.
Christian Muthspiel setzte mit seinem Orjazztra Vienna ein kräftiges Plädoyer für die große Besetzung. Er dirigiert mit großem Gestus, fordert seine meist jungen Mitstreiterinnen (starke Frauenquote!) heraus, spielt mit Klangfarben.
Erstklassige Soli kommen von Astrid Wiesinger und Ilse Riedler (Saxofone), Lorenz Raab und Alois Eberl (Posaune). Bravo!
Ein Highlight am Samstag war der US-amerikanische Saxofonist James Brandon Lewis mit seinem Quintett "An Unruly Manifesto". Aus schlichten gospelartigen Themen entwickeln die fünf mitreißende Erzählströme, verbinden Freiheitsdrang mit intensivem Bluescry.
Die Rhythmiker, allen voran Drummer Warren Trae Crudup III, boten ein elastisches Fundament, Lewis soliert gut geerdet und die Trompeterin Jamie Branch mit einer ordentlichen Portion Exzentrik und Ekstase.