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Schiller hat uns alle überschätzt

Von Peter Grubmüller   30.November 2019

Friedrich Schiller (1759–1805) glaubte, das "Regiment der Vernunft" werde das Begehren der Macht unschädlich machen oder zumindest in Schach halten. Offenbar hat Schiller nicht mit uns, dem Menschen, gerechnet, nicht mit der Gier, nicht mit der Eifersucht.

Der Linzer Theater-Phönix-Mitbegründer Georg Schmiedleitner führt bei seiner Rückkehr zum 30-jährigen Jubiläum ans Haus in der Wiener Straße mit "Macht und Aufruhr" im besten Sinn einen großgeschriebenen SCHILLER-Zirkus auf, der mit einem grandiosen Ensemble in so packenden wie intensiven zweieinhalb Stunden (mit Pause) die gesamte Fallhöhe ausleuchtet: Das Freiheitsideal des Dichters ist mit uns Deppen nicht zu schaffen, weil wir uns trotz Aufklärung in immer neue Knechtschaften verirren und freiwillig Mauern bauen.

Schmiedleitner und Autor Florian Hirsch fabrizieren aus den Dramen "Die Räuber", "Kabale und Liebe", "Die Verschwörung des Fiesco zu Genua", "Don Carlos", "Maria Stuart" und "Wilhelm Tell" einen mal eleganter, mal störrischer verwobenen Fleckerlteppich mit gewaltigem Textgebäude darauf. Möbliert mit allerlei Biografischem des Dichters, der so schlüssig wie beeindruckend von einer Frau (Raphaela Möst) gespielt wird.

Man würde den Worten gerne mit geschlossenen Augen folgen, aber dann verpasst man die Bilder, die sich Stefan Brandtmayr (Bühne) und Cornelia Kraske (Kostüme) als inhaltliches Trampolin ausgedacht haben. Noch ehe das Publikum in den mit Baumstämmen begrenzten Theaterraum vorgelassen wird, bahnt sich die glücklos hedonistische Lady Milford ("Kabale und Liebe") ihren Weg auf Krücken durch die Menge. Marion Reiser ist hier wie als Maria Stuart in beängstigender Bestform. Genauso wie Markus Hamele, der unter anderem die Zweifler an Schillers dichterischer Qualität anführt. Raphaela Möst ordnet mit hüstelnder Gesundheit, Durchlässigkeit und feinem Schwäbisch die Position Schillers in der Meute ein. Isabella Szendzielorz breitet sich als Königin Elisabeth (Maria Stuarts Anklägerin) mächtig unter dem Publikum aus und verhandelt stellvertretend für alle die Sache der vermeintlichen Verschwörerin. Als Vogt Geßler zwingt sie Wilhelm Tell zum berühmten Apfel-Schuss und verwandelt sich stufenlos in Leonore (Fiescos Frau).

Anna Maria Eder pendelt glaubhaft von der liebenden Luise ("Kabale und Liebe") zu Tells verzweifeltem Sohn Walter. Und was es mit einem macht, wenn sich Felix Rank und Martin Brunnenmann in den Sitzreihen aufbauen und den Besuchern ihren Hass auf die Welt ins Gesicht schleudern, erlebt man am besten selbst als Publikum.

All das vertieft und interveniert Petra Schrenzer mit beißender bis wummernder Gitarre. Unterfüttert von AfD-Tiraden, Strache-Reden, Trump-Verblüffungen und Thunberg-Plädoyers.

Richtig, das ist viel auf einmal. Aber diese Überforderung ist prächtig. Nur die Pause reißt den Abend aus dem Fluss, auf dem das Publikum rudert, weil dieses Theater mit jedem im Raum zu tun hat. Dichter Applaus.

Fazit: Regie und Ensemble verführen das Publikum zu einer entlarvenden Expedition ins Menschenreich. Ein reicher, feierlicher Theaterabend, den man öfter als einmal wirken lassen kann.

Theater Phönix: "SCHILLER. Aufruhr und Empörung", Uraufführung: 28. 11., Termine: bis 19.1. 2020, Info/Karten: 0732/666 500, www.theater-phoenix.at

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