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Scheidls Hang zum Gesamtkunstwerk

Von Peter Grubmüller   15.Jänner 2022

Sein Tuschepinsel fliegt über das Blatt und setzt die Striche dennoch verblüffend präzise. Im Gespräch mit Roman Scheidl entsteht im Nu der Eindruck, als hätte der 72-jährige, in Leopoldsdorf (NÖ) geborene Künstler ohnehin alles Bedrückende und die Fratzen der Angst hinter sich gelassen. "Ich hab den Luxus, dass ich mir nichts mehr scheißen muss", sagt Scheidl in seiner so glaubwürdigen wie leidenschaftlichen Art. Er lächelt dabei wie ein heimlicher Held, der die Dämonen besiegt hat.

Aus all seinen 27 Tusche- und Öl-Arbeiten zwischen 3200 und 22.000 Euro in der Galerie in der Schmiede in Pasching dringt Schönheit in strahlenden Farben samt sinnlich unterfütterter Ruhe, jeweils verschmolzen mit dem Wunder der Natur. Sein Trotz, mit dem Scheidl einst die Missachtung Maximilian Melchers (1922–2002) in dessen Grafik-Klasse an der Akademie der bildenden Künste in Wien ausgesessen hat, ist längst verflogen. Scheidl: "Melcher hat mich gleich einmal rausgeschmissen, ich bin aber geblieben und eben immer nachts in die Akademie gegangen, um zu arbeiten. Es hat ihm gefallen, dass ich mich nicht vertreiben ließ." Seine Studienkollegen waren unter anderem die "Jungen Wilden" Siegfried Anzinger und Hubert Schmalix.

Scheidls Hang zum Gesamtkunstwerk
„Manga 5“ (2020)

Noch ehe er 1976 mit seiner ersten Einzelausstellung in der Albertina international ins Gespräch kam, hatte ihn die Stadt Linz entdeckt: 1973 wurde Scheidl hier der Dr.-Ernst-Koref-Preis zuerkannt. Der honorige Kunsthistoriker und Publizist Otto Breicha riet Scheidl, Grafik und Radierungsnadel gegen den Pinsel zu tauschen, "seitdem hab ich den Pinsel nie wieder ausgelassen."

In Zürich lernte er die Schweizer Choreografin und Tänzerin Bettina Nisoli kennen. "Und ich wollte bei ihrer Arbeit irgendwie mitmachen", daraus entstand die Idee zu Live-Zeichnungen auf Overhead-Projektor in Verschmelzung mit Tanz. Er lebte in Paris und in Zürich, entwickelte seine Tuschpinsel-Technik in Anlehnung an japanische Kunst weiter und hielt sich mit Kunstkritiken über Wasser.

Seine umfassenden Reisen dokumentierte er in prächtigen Tagebüchern, Auszüge davon sind in dem Buch "Die Welt ist nur ein Pinselstrich" veröffentlicht. Seine Lebenspartnerin Nisoli verlor 1996 den Kampf gegen ein Krebsleiden, "danach bin ich ein riesiges Loch gefallen". Die Tanz-Performances setzte er später mit Katharina Puschnig fort und entwickelte sie neu. Tourneen unter anderem nach Japan folgten. Für den ORF und den Bayerischen Rundfunk verwirklichte er von 2004 bis 2014 unzählige Malfilme – und damit wieder so ein von Künstlerkollegen nur schwer zu akzeptierendes Projekt von Scheidls genreübergreifenden Kooperationen.

Scheidls Hang zum Gesamtkunstwerk
„Zeit der Reife“ (2015)

Dass er trotz jahrelanger Selbstzweifel seine eigene Vielfalt akzeptiert hat, sei ein Verdienst des legendären Kurators und Direktors der Berner Kunsthalle Harald Szeemann (1933–2005). Scheidl: "Er hat damals die Ausstellung ,Der Hang zum Gesamtkunstwerk‘ mit Kurt Schwitters, Anselm Kiefer und vielen anderen gemacht. Ab dieser Ausstellung hab ich gewusst, wo ich hingehöre – und dass künstlerische Disziplinen keine Grenzen kennen."

Ausstellung: "Roman Scheidl – Freiheiten der Zeit", Galerie in der Schmiede Pasching, bis 18. 2., Öffnungszeiten: Fr 15-18 Uhr u. nach Vereinbarung: 0676/31 77 080.

Bücher über Roman Scheidl

„Roman Scheidl – Ateliers 1982 bis 1997“ gesehen und fotografiert von Johann Klinger (1938-2002), 168 Seiten, 28 Euro.

„Roman Scheidl – Die Welt ist nur ein Pinselstrich“, jeweils Verlag Bibliothek der Provinz, 272 Seiten, 39 Euro.

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19. April 2024