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"Sätze lesen, die mich betreffen"

Von Peter Grubmüller   21.Dezember 2019

Hans Eichhorn ist keiner, der sich bei Literatur-Festivals in die erste Reihe drängelt. Auf seine Texte stößt man wie zufällig – oder auf Empfehlung. Es lohnt sich, Eichhorns Welt zu entdecken: Der beglückend uneitle Schriftsteller ist mit einer analytischen Beobachtungsgabe ausgestattet, die ihm zuletzt den Trakl- und den Gleißner-Preis (Verleihung am 27. Jänner) eingetragen hat.

Dass Eichhorn über Jahrzehnte auch als Attersee-Fischer gearbeitet hat, "war in gewisser Weise Feigheit", sagt der 63-Jährige. "Und es war ein Refugium, in das ich mich zurückzog. Dort durfte ich mich von der Literatur distanzieren. Als Fischer konnte ich mir denken: ,Wenn ihr mit meinen Texte nichts anfangen könnt – ich brauch euch nicht unbedingt.‘" Als Fischer sei er zudem ins dörfliche Leben integriert, "das wäre als Schriftsteller schwieriger gewesen". Seine Texte kleidet Eichhorn mit allem aus, was ihm auf- und einfällt. "Und meine Frau achtet darauf, dass ich nicht zu barock, nicht überladen schreibe", sagt er und lächelt, als denke er daran, was seine Frau nun sagen würde.

Seit 1987 ist er mit Elisabeth Eichhorn verheiratet. Sie unterrichtet Deutsch und Geschichte in der HAK Kirchdorf. Die beiden haben eine Tochter und zwei Söhne.

"Sätze lesen, die mich betreffen"
Hans Eichhorn

Dass die Eichhorns seit Generationen im Attersee fischen, ist bis zur Regentschaft von Kaiserin Maria Theresia (1717–1780) belegt. Das Haus samt Grundstück, das die üppig befahrene Neustiftstraße von Steg und Bootshaus abschneidet, war früher ein Sacherl. Eichhorns Großeltern hatten noch zwei Kühe und zwei Schweine. Das heutige Dachgeschoß mit prächtigem Blick über den See war einst der Heuboden samt Futterloch, über das die Tiere im Stall darunter versorgt wurden.

Eichhorn hätte Bankangestellter werden sollen und besuchte die Handelsakademie in Vöcklabruck. Aber zu diesem Zeitpunkt schien es ihm, als wachse er "blind" auf, frei von klassischer Bildung. "Ich wollte mehr lernen – und vor allem Sätze lesen, die mich betreffen. So bin ich zum belletristischen Lesen gekommen. Dieses Hingezogensein zu Texten wurde so stark, dass die Literatur bald wichtiger war als mein Religionspädagogik-Studium, das ich in Salzburg angefangen hatte."

Mit 12 Jahren versuchte er sich an Nachdichtungen von Enid-Blyton-Büchern ("Fünf Freunde"). Als Jugendlicher war ihm die Ö1-Radiosendung "Du holde Kunst", die bis heute Texte an klassische Musik anbindet, ein literarischer Wegweiser. "Da hab ich erstmals Gedichte von Ingeborg Bachmann, August von Platen und Georg Trakl gehört." Später verschlang er Franz Innerhofer, Peter Handke und Thomas Bernhard. Eichhorns Held der Studienzeit war Jean Améry, der den klassischen Intellektuellen verkörperte. Aus der Wiener Gruppe hielt er den 1964 im Alter von 31 Jahren verstorbenen Konrad Bayer für die stärkste Stimme der literarischen Avantgarde. Und Oswald Wiener imponierte ihm wegen dessen oppositioneller Haltung im Roman "Die Verbesserung von Mitteleuropa".

Beim Herstellen eigener Texte gehöre es zu Eichhorns "bürokratischer Ader, dass ich zu einer bestimmten Zeit einen bestimmten Raum aufsuche und darauf hoffe, dass ich zum Schreiben angeregt werde."

Der Verkauf seiner Bücher sei immer gleich ernüchternd gewesen. Zufrieden sei er dennoch, vor allem damit, dass er anders als Handke unerkannt aus dem Haus gehen kann. Alles gut, bis auf eines: Immer wollte er Hölderlins Elegie "Brod und Wein" auswendig können, "weil sie perfekt ist, aber nur dann, wenn man kein Wort, keine Silbe auslässt. Bis heute kämpfe ich mit der ersten der insgesamt neun Strophen."

"Ringsum ruhet die Stadt; still wird die erleuchtete Gasse ..." – so beginnt Hölderlin. Als wäre er auch bei Eichhorn zu Hause gewesen.

Hans Eichhorn, Lesetipps

„FAST das Große Haus“, Eichhorns scharfsichtige Gesellschaftsanalyse, 600 Seiten, Verlag Bibliothek der Provinz, 34 Euro

„Logenplatz: SommerSeeGedichte“, Verlag Bibliothek der Provinz, 118 Seiten, 10 Euro

 

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23. April 2024