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Phantastischer Realist und Universalkünstler: Arik Brauer ist tot

Von nachrichten.at/apa   25.Jänner 2021

Dies teilte seine Familie in einer Stellungnahme gegenüber der APA mit. Brauer war Maler, Grafiker, Bühnenbildner sowie Sänger und gehört zu den Hauptvertretern der Wiener Schule des Phantastischen Realismus. Seine letzten Worte waren laut seiner Familie: "Ich war so glücklich mit meiner Frau, mit meiner Familie, mit meiner Kunst und meinem Wienerwald. Aber es gibt eine Zeit, da lebt man, und es gibt zwei Ewigkeiten da existiert man nicht."

  • Video: Arik Brauer mit 92 Jahren verstorben

Brauer wurde am 4. Jänner 1929 in Wien als Erich Brauer in eine russisch-jüdische Handwerkerfamilie geboren. Der Nationalsozialismus beendete seine Kindheit im Wien der 30er-Jahre, über die er in seinem auch vom Fernsehen ausgestrahlten Soloprogramm "A Gaude war's in Ottakring" berichtet hat. Brauers Vater starb in einem Konzentrationslager, er selbst überlebte in einem Versteck.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges inskribierte der damals 16-Jährige an der Akademie der bildenden Künste in Wien (1945 bis 1951). Dort waren u.a. Albert Paris Gütersloh und Herbert Boeckl seine Lehrer. Nach Abschluss seines Studiums unternahm Brauer ausgedehnte Reisen, besonders Eindrücke aus dem Orient sollten sein späteres Werk prägen. Mit seiner Frau Naomi ließ er sich in Paris nieder, wo das Paar mit Singen seinen Lebensunterhalt verdiente. Wenig später stellten sich auch erste Ausstellungserfolge ein. Als Brauer 1964 die Pariser Boheme verließ und wieder nach Wien zurückkehrte, genossen die Protagonisten der "Wiener Schule des Phantastischen Realismus" bereits große Popularität.

Brauers Gesangskarriere erreichte in den 70er-Jahren ihren Höhepunkt: Mit Dialektliedern wie "Sie ham a Haus baut" und "Hinter meiner, vorder meiner" war er an der Geburt des Austropops maßgeblich beteiligt. "Ich habe mich nie als Austropopper gesehen, obwohl ich da wirklich am Anfang dabei war", sagte Brauer einmal in einem Interview. Er habe kritische Texte singen wollen. "Diese Liedtexte sind teilweise zu unserem großen Leidwesen aktuell geblieben. Einige davon wurden richtige Volkslieder, die man beim Heurigen oder auf einer Schutzhütte singen hört. Darauf bin ich stolz."

Zudem war Brauer an Fernsehspielen beteiligt und als Grafiker, Bühnen- und Kostümbildner tätig. 1975 stattete er etwa "Die Zauberflöte" (Kostüme und Bühnenbild) an der Pariser Oper aus. Anfang der 90er-Jahre beschäftigte sich der Künstler - wie seine Kollegen Ernst Fuchs und Friedensreich Hundertwasser - mit Architektur. 1993 entstand auf der Wiener Gumpendorfer Straße ein "Brauer-Haus", 1996 gestaltete Brauer die Fassade einer katholischen Kirche in Wien-Leopoldstadt. Im September 1997 zog er sich nach zwölfjähriger Lehrtätigkeit als Professor an der Wiener Akademie der bildenden Künste zurück.

Anlässlich seines 85. Geburtstag widmete ihm das Leopold Museum in Wien unter dem Titel "Gesamt.Kunst.Werk" eine Werkschau aus, im selben Jahr präsentierte er im Wiener Jüdischen Museum eine von ihm gestaltete Pessach-Haggada. Brauer hatte das Buch, das am Sederabend, der den Beginn des jüdischen Pessach-Festes markiert, gelesen wird, schon 1979 einmal illustriert.

Brauer erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen, darunter das Österreichischen Ehrenkreuz 1. Klasse, den Preis der Stadt Wien für Malerei und die Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold. 2015 wurde er mit einem "Amadeus Award" für sein Lebenswerk geehrt. 2018 erhielt er im Rahmen des Antisemitismus- und Antizionismus-Kongress in Wien das Goldene Ehrenzeichen der Republik Österreich.

Das Wiener Jüdische Museum widmete Brauer im Jahr 2019 anlässlich seines 90. Geburtstages eine umfassende Werkschau. Mit rund 54.000 Besuchern war es die bisher zweiterfolgreichste Schau des Museums.

Im Oktober 2019 erhielt Brauer den erstmals von der Styria Media Group und Kleinen Zeitung vergebenen Fritz-Csoklich-Demokratiepreis. Der Künstler hielt damals ein flammendes Plädoyer für Demokratie und Menschlichkeit. Die Demokratie sei immer gefährdet, es gebe dafür in der Natur kein Vorbild, der Mensch habe sie erfinden müssen, um die in der Natur selbstverständliche und arterhaltende Eigenschaft des Egoismus überwinden zu können, sagte Brauer bei der Preisverleihung. "Wir verteidigen unsere Machtpositionen nicht wie Ziegenböcke mit Beinen und Hörnern und Muskeln im Genick, sondern mit Atombomben. Und so haben wir die Demokratie erfunden." Der laut Eigendefinition "berufliche Wunschdenker" plädierte für eine "Weltdemokratie", nur dann könnten die Menschen zufrieden leben.

"Österreich wird diese Stimme vermissen"

Zahlreiche heimische Politiker kondolierten Montagvormittag der Familie Arik Brauers. Einen "Künstler, wie unser Land - an kreativen Menschen so reich - nur wenige hervorgebracht hat", und "kritischen Citoyen" nannte ihn Bundespräsident Alexander Van der Bellen. "Österreich wird diese Stimme, die so sanft und klar war, vermissen. Und sich dankbar dessen erinnern, was Arik Brauer unserem Land geschenkt hat."

Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) nannte Brauer "einen der größten Künstler der Republik": "Er hat in allen Kunstsparten, in denen er tätig war, das Fenster zur Fantasie geöffnet. Viele seiner Werke - von den Liedern über die Bilder bis zu kostüm- und bühnenbildnerischen Arbeiten - werden allgemein, aber auch mir persönlich in Erinnerung bleiben. Brauer hat aber auch noch ein anderes Fenster geöffnet - nämlich jenes der Erinnerungen. Er hat mit seinem persönlichen Zeugnis gegen den Terror des NS-Unrechtsregimes auch zu Zeiten darauf aufmerksam gemacht, als niemand darüber sprechen wollte, und damit zur Schaffung eines Konsenses gegen die Barbarei beigetragen."

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) nannte Arik Brauer "einen Mahner, aber auch einen Verbinder zwischen den Generationen": "Sein Einsatz für Demokratie und nicht zuletzt seine Gedenkrede am 8. Mai 2018 zum Kriegsende in Europa werden mir unvergessen bleiben." 

"Arik Brauer lebt durch seine Kunst und die Erinnerung an seine humorvolle und wortgewaltige Persönlichkeit im Herzen der Kultusgemeinde für immer weiter", meinte Oskar Deutsch, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), in einer Aussendung. "Als jüdischer Künstler und Überlebender der Shoah war Arik Brauer auch ein Mahner, der gerade jungen Menschen die Vergangenheit eindrucksvoll schilderte. Auch sein Einsatz für Israel bleibt uns ewig in Erinnerung."

Reaktionen gab es auch vonseiten der Parteien. "Wir verlieren mit Arik Brauer einen der prägendsten und vielfältigsten Künstler des Landes. Er und unsere gemeinsame Zeit in Israel werden mir und meiner Familie immer in schöner Erinnerung bleiben", ließ SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner auf Twitter wissen. Die Kultursprecherin der Grünen und Obfrau des Kulturausschusses, Eva Blimlinger, drückte namens des Grünen Parlamentsklub der Familie und den Freundinnen und Freunden Brauers herzliche Anteilnahme aus: "Sowohl als Sänger als auch als Maler war er in Wien stets präsent. Seine Lieder werden bis heute gesungen."

Betroffen zeigte sich NEOS-Kultursprecher Sepp Schellhorn: "Österreich und die Welt haben einen großen künstlerischen Geist und die Gesellschaft einen wachen, aufmerksamen und ständigen Mahner verloren. (...) Für Arik Brauer war seine Kunst immer auch eine Auseinandersetzung mit der Gesellschaft, dem Wegschauen, dem willentlichen Ignorieren. Gerade seine Lieder haben der Gesellschaft einen Spiegel vorgehalten, der die Fratze des bequemen Mitläufertums offenbart hat. Umso wichtiger ist, dass wir seine Appelle für Demokratie, Mitgefühl und Menschlichkeit hören. Die Erde möge diesem großen Künstler und Menschen leicht sein und mögen wir alle weniger unser Köpferl in den Sand stecken, wenn der Wind weht."

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28. März 2024