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"Ödipus" als märchenhafter Traum

Von Michael Wruss   13.August 2019

Wieweit George Enescus "Oedipe", das den rumänischen Meistergeiger, Dirigenten und Komponisten mehr als 20 Jahre beschäftigte, Oper oder mehr ein ungeheures symphonisches Orchesterwerk ist, sei dahingestellt. Aber an diesem Premierensonntag in der Salzburger Felsenreitschule wurde deutlich, dass der im Zentrum stehende Monolog des Ödipus tatsächlich mehr als Kommentar zu einem symphonischen Orchestersatz fungiert als umgekehrt.

Diese Fokussierung auf die zentrale Person, die inhaltliche Zurücknahme, aber inszenatorisch durch die surreal bunten und überdimensionalen Kostüme doch bewusste Platzierung der Nebenrollen und die Idee, die archaische Mythologie als einen unbewussten Traum zu verstehen, kennzeichnet Achim Freyers Gesamtkonzept, das wie immer polarisiert.

Doch vielleicht ist es gerade dieser scheinbar naiv-märchenhaft bunte Zugang, der den Abend so bezwingend machte und die Frage nach dem Schicksal der Geburt und was der Mensch daraus macht, deutlich aufwirft. Ödipus hätte gar nicht geboren werden sollen, das – von den Göttern auferlegte – Schicksal lässt ihn überleben. Zufälle, die Ödipus eigentlich nicht steuern kann, machen ihn zu jenem schuldbeladenen Sieger über die Sphinx, der erkennt, dass der Mensch das Schicksal in der Hand hat und es auch überwinden kann. So lässt Achim Freyer seinen sterbenden Ödipus wieder zu jener (prä-)natalen Haltung zurückkehren, in der das Hybridbaby am Beginn der Oper seine ersten Lebenszeichen gibt. Mythos als traumhafte Realität, Wirklichkeit als alptraumatisch empfundener Mythos.

Freyer will keine Antworten suchen, sondern Fragen aufwerfen. Dass das in seiner beinahe naiv-direkten Formensprache erfolgt, ist nicht jedermanns Sache, aber die Stärke des Abends.

Faszinierende Klänge

Die ist auch im Orchestergraben zu finden, wo Ingo Metzmacher mit den Wiener Philharmonikern diese selten gespielte Oper faszinierend zum Klingen gebracht hat. Ein Raum wie die Felsenreitschule eignet sich ideal, um nicht nur Breitwandkino, sondern auch den Cinemascope-Sound von Enescus Partitur greifbar werden zu lassen und dabei von intimen Schattierungen bis zu voluminösen Tutti-Stellen alles aufzubieten.

Enescus "Oedipe" ist eine One-Man-Show, und Christopher Maltman überzeugte in allen Facetten. Einerseits, weil er Freyers Ansatz gestalterisch perfekt umsetzt, und andererseits, weil sein Kommentar zur Musik unglaublich präsent und emotional tief empfunden ist. Aus der Riege der vielen "Nebenrollen" stach der vorbeiziehende Riese Tirésias von John Tomlinson am deutlichsten heraus, genauso wie Brian Mulligan als beredter Créon. Michael Colvin (Laios) Anaïk Morel (Jocaste), David Steffens (Grand Prêtre), Ève-Maud Hubeaux (Sphinge), Gordon Bintner (Phorbas), Chiara Skerath (Antigone) und Anna Maria Dur (Mérope) überzeugten wie die restlichen Mitwirkenden in ihren eher kleinen, aber ungemein wichtigen Rollen. Eine solche hat auch die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor, der von Huw Rhys James ideal einstudiert war.

Fazit: Eine in sich stimmige und die Fantasie intensiv anregende Umsetzung einer nicht allzu oft gespielten Oper, die den Antiken-Zyklus der Festspiele überzeugend fortsetzt.

Salzburger Festspiele: George Enescus Oper "Oedipe", 11. August

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