Kopfhörer #98: Die zarte Versuchung der Ane Brun
Zwei Jahrzehnte lang ist die Norwegerin Ane Brun musikalisch auf der introvertierten Seite des Lebens unterwegs. Jetzt feiert sie mit zwei Alben Jubiläum.
Was auf den Straßen Barcelonas begonnen hat, wo Brun als Straßenmusikerin die Lieder anderer Leute sang, ist eine beachtliche Karriere geworden. "Ich denke, dass sehr viel in meinen Songs davon handelt, frei zu sein", sagt die Singer-Songwriterin.
Mit ihrer glasklaren und schon allein aus diesem Grund aus der Masse herausstechenden Stimme sind ihre Lieder, die in den zwei Jahrzehnten schon zehn Alben füllten, immer eine persönliche Angelegenheit geblieben. Authentisch zu sein, offen für das Leben, die Liebe, die Erfahrungen, die das Leben mit sich bringt - das hat sie stets auch in ihrem musikalischen Wirken angetrieben.
Ana Bruns Lieder tragen immer diesen melancholischen Grundcharakter in sich. Die Langsamkeit als Stilmittel, als Verführung für den Hörer, der genauer hinhören, tiefer gehen will. Wer das tut, wird in der Musik der Norwegerin auch die dunklen Momenten spüren können, aber immer auch die Hoffnung erkennen. Nach jedem Regen kommt die Sonne. Irgendwann. Garantiert.
Zu ihrem 20-Jahr-Jubiläum schenkt sich Ane Brun (und ihre Fangemeinde) jetzt einmal zwei Alben. Auf "Songs 2013-2023" (Balloon Ranger Recordings) blickt sie - am Titel unschwer zu erkennen - auf das zweite Jahrzehnt ihrer musikalischen Entwicklung zurück. Mit "Hand In The Fire" setzt sie am Beginn ganz bewusst auf einen neuen Song, der vieles von dem vereint, wofür Ane Brun steht. "Sag mir ehrlich, bist du wirklich frei", fragt sie da und gibt die Richtung vor. Weiter tun, weiter in Bewegung bleiben.
Verblüffende Coverversionen
Mit "Portrayals" (Balloon Ranger Recordings) blickt sie in gewisser Weise auf ihre Wurzeln zurück. Als sie auf den Straßen Lieder anderer Leute spielte, um sich Gehör und Aufmerksamkeit zu verschaffen, hat sie eine Liebe dazu entdeckt, bekannte Songs in ihren musikalischen Kosmos zu holen. Die zwölf beliebtesten Coverversionen - 250 Millionen Mal auf Spotify gestreamt, in Filmsoundtracks, TV-Serien und Werbespots verwendet - sind darauf vereint.
Ane Brun singt in ihrer ruhigen Art Beyonce ("Halo"), entblättert den Cyndi Lauper-Klassiker "True Colors" und macht ihn zu einem intimen Moment mit Stimme und Klavier, holt Adele ans Lagerfeuer ("Make You Feel My Love") und entschleunigt Alphaville. Ihre Version von "Big In Japan" berührt in einer bislang unerkannten Form. Foreigner, John Legend, Elvis Presley, die Beatles - alle macht sich Ane Brun ganz selbstverständlich eigen.
"Portrayals" ist eine zarte Versuchung, der man durchaus erliegen darf, weil sie nahe geht und manchmal einfach nur verblüfft. So sind Coverversionen bereichernd. Und es ist gut, dass sich eine Künstlerin wie Ane Brun stets die Freiheit genommen hat, möglichst frei zu agieren. Das hört man ihrer Musik an, in der immer die Wahrhaftigkeit mitschwingt.
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