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Kopfhörer #72: Votava singt Nöstlinger

Von Reinhold Gruber   21.Dezember 2021

Christine Nöstlinger. Wer kennt sie nicht? Die vor drei Jahren verstorbene Wienerin gilt als eine der wichtigsten deutschsprachigen Kinder- und Jugendbuchautorinnen. Dass sie auch Lieder geschrieben hat, legt der Untertitel  von „A schenes Lem!“ (BaderMoldenRecordings) nahe, ist doch da von den „Nöstlinger Songs“ die Rede.

In Wahrheit handelt es sich dabei um 22 Gedichte, die Nöstlinger in ihren späten Lebensjahren geschrieben hat, wo sie generell nicht mehr viel schrieb, vor allem nicht für Kinder.

Es ist ein Glücksfall, dass diese Gedichte im Wiener Dialekt einem Mann in die Hand gegeben wurde, der damit etwas anzufangen wusste. Gerald Votava. Schauspieler, Songwriter und Musiker. In der zwei vor ihrem Tod erschienenen Film „Maikäfer, flieg!“ spielte Votava den Vater der Dichterin. Ein Schauspiel mit Folgen.

Denn so lernten sich Nöstlinger und Votava kennen. Sie reden miteinander, sie schätzten sich, kamen gut zusammen. Dieses Vertrauensverhältnis war wohl auch ein Grund dafür, dass Nöstlinger Votava kurz vor ihrem Tod 22 Zettel mit Dialektgedichten übergab, die sie im Alter geschrieben hatte. Als Minitaturen, Geschichten und Bilder aus dem Wien, das sie so geprägt hat, bezeichnet der Beschenkte die Texte, die er mit den Worten erhielt, dass er daraus etwas machen könnte.

„Wir haben sie gemeinsam gelesen, dem Klang der Lyrik und der Melodien zugehört und über Musik gesprochen“, schreibt Votava im Booklet zur CD. Einziger Zeuge war Herta, Christine Nöstlingers Schaufensterpuppe aus den 1930er Jahren. 

Herta ziert nun das Cover des Albums, auf dem Nöstlingers Texte nach drei Jahren nun zu Liedern geworden sind. Ausdrucksstark von Votava gesprochen und -gesungen, musikalisch wunderbar umgesetzt von Walther Soyka auf der Harmonika.  

Von den Bösen, den Blöden und dem Westbahn-Rudl

Der Titel ist Programm, weil das Leben hier sein wahres Gesicht zeigt, das schöne wie das hässliche. Nöstlinger erkennt, dass sich alles ums Geld dreht (“I kenn mi ned wiaglich aus“), weiß von den Bösen, die dauernd die Leute anlügen, und von den Blöden, die jedes Mal daran glauben. Sie wäre lieber böse als blöd, dichtet sie dann, um sich am Ende dann doch darüber zu freuen, der Blöde zu sein (“I frog mi imma“).

Es geht um Typen, wie den Westbahn-Rudl, der am liebsten am Bahnhof ist, weil sich da etwas abspielt. Nöstlinger zeigt sich als gute Beobachterin, die ihre Umgebung sehr genau studiert hat („De an kuman, de aundan foan fuat“). Sie macht kein Hehl daraus, dass er ihr egal ist, welchen Pass ihre Nachbarn haben. Aber wenn dann die Buben bis um Mitternacht die Siedlung so unsicher machen, dass sich die jungen Frauen nicht mehr durchgehen trauen, dann spricht sich das auch an und wundert sich, dass sie sich dann den Rassismus-Vorwurf gefallen lassen muss („Wauns so lebatn wie unsa ana“).

Die Gewalt an Frauen wird in ihren Texten ebenso unverblümt angesprochen (“Ea hod ia a Messa in Bauch grennt“ und „Worum losdsasi grin und blau haun“). Und dann gibt es inmitten dieser pessimistischen, manchmal tieftraurigen Lyrik die Momente, wo man als Hörer grinsen muss. „I schea mi ned“ hätte auch dem legendären Georg Danzer gut gestanden und das finale „Z wenig gaunga“ geht zu Herzen - mit der Erkenntnis, dass es ein schönes Leben war.

Gerald Votava und seinen musikalischen Mitstreitern ist hier ein wunderbares Stück Musik gelungen, das mit seinem Inhalt in den Bann zieht. „A schenes Lem!“ wird den Moment lange überdauern.

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25. April 2024