Kopfhörer #68: Klänge mit Spannungsfaktor
Wenn eine Suppe fad schmeckt, dann will man sie nicht wieder kredenzt bekommen. Das gilt auch für Musik. Tür 13 des musikalischen Adventkalenders ist deshalb Songs und Kompositionen gewidmet, die alles andere als fad sind.
Das Banjo als Melodiebringer, der Bass als simple Begleitung und darüber die Stimme von Tierra Whack: Es braucht nicht viel, um „Dolly“ - aus ihrer aktuellen EP „Pop?“ (Interscope) - zu einem außergewöhnlichen Song zu machen. Sie weiß, dass sie beschäftigt ist, aber sie will nichts anderes als ein wenig Zeit zu schenken – der Refrain brennt sich dauerhaft ins Gedächtnis und die Zeilen im Ohr beginnt man gar nicht hektisch herum zu laufen, sondern seine Augen zu schließen und zu genießen.
Es ist dieses Weg vom Vorhersehbaren, dieser Schritt zur Seite, heraus aus den ausgetretenen Pfaden der Popmusik, das Fadesse vorbeugt. „Ich will nie mehr zurück zu dieser faden Suppe“, singt Julia Santini und verdeutlicht damit augenblicklich, dass Einheitsbrei nicht das Ihre ist.
„Ausbruch“ (iGroove AG) ist ein frech-pfiffiger Rocksong, der klar macht, dass diese Frau ihre Seele nicht verkauft, auch wenn sie mit seinen Regeln bricht. Nun, Frau Santini bricht Regeln, weil Frauen und E-Gitarren – das ergibt ein Bild, das man lieber den Männern denn den Frauen zusprechen würde. Julia Santini setzt damit ein Zeichen und lässt bei aller Eigenständigkeit schon auch erkennen, dass ihr Nina Hagen und Falco keine Fremden sind.
Wenn es ein Lied schnell schafft, Gehör zu finden, und sich auch nicht so schnell wieder von dort verabschiedet, dann muss etwas dran sein. „Wanted“ von Tibursky kam zuerst im Ambient Remix ans Ohr, wo man sich gleich ein wenig in die Melodie verlieben konnte, wenngleich sie noch so langsam daher kam, als wäre sie nur gemacht für die Lounge-Ecke. Aber irgendwie hat dieser Song etwas. In der Originalfassung wähnt man sich dann in einem modernen Western, weil Stimme und Stimmung Country-Nähe aufweisen, ohne wirklich Country zu sein. Ein gefährlicher Ohrwurm, weil er so schnell wirkt, dass man gar nicht zum Nachdenken kommt.
Wer es gerne etwas komplexer hat, sich in Musik regelrecht hinein arbeiten will, dem sei an dieser Stelle „Magic Wall“ (Seayou Records) empfohlen. Verena Zeiner, Pianistin und Komponistin mit starkem Jazz-Bezug, hat sich zusammen mit Elektronik-Musiker und Produzent Wolfgang Schlögl alias I-Wolf zusammengetan. Ihre gemeinsame musikalische Sprache ist ein Dialog zwischen Welten. Da der analoge Klang des Klaviers, dort die elektronischen Sounds als Referenz des digitalen Zeitalters. Die Musikstücke von Zeiner I-Wolf finden in einer ganz eigenwilligen Spannung zueinander, verschmelzen und lassen im Kopf des Hörers eine ganz eigene Geschichte entstehen.
Das Spannende ist einerseits die Sperrigkeit der Musik, die vom Hörer Durchhaltevermögen verlangt, andererseits aber wieder diese zart ins Ohr fließenden Klangmalereien wie in „Don‘t Look At Me That Way“. Instrumentalmusik mit Ästhetik und Anspruch, von der eine ganz eigene, nicht wirklich zu erklärende Faszination ausgeht. Das ist Argument genug, um sich der „Magic Wall“ zu widmen.