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Kopfhörer #64: Alles zu seiner Zeit

Von Reinhold Gruber   08.Dezember 2021

In der Welt von Alan Walker wird gefällige Pop-Musik solange auf Club- und Tanzbodenebene gebürstet, bis man irgendwann nicht mehr anders kann, als mitmachen. Das Ganze hat aber eingeschränkten Wirkungsradius, wenn die laute Glitzerwelt der Partymacher zu Besuch in den eigenen vier Wänden sind.

Da tut sich der DJ und Musikproduzent schwer, dauerhaft Wirkung zu erzeugen. „World Of Walker“ (Columbia) macht dies deutlich. Was im Trend der Zeit liegt, mag sich schwer damit tun, die Zeit zu überdauern. Ausnahmen bestätigen freilich die Regel. Sein Remix von „Time“ aus der Feder von Filmmusik-Kaiser Hans Zimmer ist ein Ereignis. Vielleicht hätte es Alan Walker nicht an den Beginn stellen sollen. Eher im zweiten Drittel hätte „Time“ nicht gleich alles folgende in den Schatten gestellt.

Paenda (ja, die Sängerin vom Songcontest) lebt die Musik, weil sie tausendfach davon überzeugt ist. Wer die junge Niederösterreicherin nur in die Kiste der Kurzzeit-Pop-Sternchen steckt, macht einen Fehler. Denn die junge Frau hat ein Gefühl für satte Grooves und Beats. Beweis: „Boys 4 Breakfast“, das Paenda zusammen mit KTEE und Vida Noa in einem pulsierenden Gemisch wieder findet. Da bebt der Club, da vibriert die Wohnzimmer-Box und wer bei diesem Song nicht augenblicklich bester Laune ist, sollte einmal sein Emotionsgerüst prüfen lassen.

Alles hat seine Zeit. Das gilt generell und ganz besonders für Boybands. Wenn die magische Anziehungskraft auf die (vornehmlich junge) Weiblichkeit verblasst, weil die Frauen mit den Männern, die einst Boys waren, mitwachsen und irgendwann die Musik nur mehr den Wert der Erinnerung auf besondere, weil einzigartige Zeiten hat, dann wirkt es etwas eigenartig, wenn noch so getan wird, als wären alle noch jung, frei und voller Träume.

„Wild Dreams“ (East West Records) von Westlife ist der in bescheidene Lieder gegossene und damit gescheiterte Versuch, mit Anstand älter zu werden. Jugend-Poesie zu Musik, die voller Pop-Geigen hängt, hatte ihre Zeit. Einst. Damals. Andererseits: Will jemand ehemaligen Boyband-Mitgliedern zuhören, wenn sie darüber singen, dass sie längst erwachsen sind? Das ist das Dilemma des frühen Ruhms.

Dabei ist das Gestern nicht zu verachten. Die Beatles, gerade wieder durch Peter Jackson‘s achtstündige Dokumentation „Get Back“ in vieler Ohren, haben Klassiker in die Welt gesetzt, die Jahrzehnte schadlos überdauern und immer wieder andere Künstler dazu bringen, sie in ihre Welt zu transferieren. Christina Perri hat  eine auf Klavier und Stimme reduzierte, feinsinnige Version von „Here Comes The Sun“ eingesungen. Das Lied ist eines von 13 „Songs For Rosie“ (Elektra), mit der die Popsängerin ihr Schlaflieder-Sammlung erweitert. Auf die Lieder für ihre erstegeborene Tochter Carmella folgen nun traditionelle Songs und Eigenkompositionen, mit der sie ihrer Tochter Rosie gedenkt, die leider nie das Licht der Welt erblicken konnte. Wer die Lieder mit dem Wissen um diese Geschichte hört, wird die herzerwärmenden Lieder anders wahrnehmen. Christina Perri liefert Momente, in denen man sich wirklich auf das Wesentliche besinnen kann. Ganz ohne Glitzer und Glamour, ohne Partykrach, dafür in aller Ruhe mit ganz viel Licht und Wärme.

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19. April 2024