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Kopfhörer #24: Pippa oder der Sound macht die Musik

Von Reinhold Gruber, 27. August 2020, 19:14 Uhr
Pippa sucht mit ihrer Musik nicht die Norm, sondern die Spannung. Bild: Gabriel Hyden

Mit ihrem zweiten Album „Idiotenparadies“ setzt die Wiener Musikerin Pippa ein weiteres Ausrufezeichen ihres Talents.

Das Album war fertig, die Veröffentlichung für Mai dieses Jahres geplant. Doch dann kam Corona und alles war anders. Jetzt holt Pippa Versäumtes nach. Ein Gespräch über Veränderungen, Ehrlichkeit, Musik und Erfolg.

Ihr neues Album ist unter besonderen Umständen entstanden. Wie ist es Ihnen dabei gegangen?

Pippa: Das Album war schon fertig, als der Lockdown kam. Da waren dann Ängste damit verbunden, ob es einen Platz in dieser Zeit hat. Ich war über die Verschiebung der Veröffentlichung froh, aber jetzt wissen wir nicht, was im Herbst ist. Die Krise ist noch nicht überstanden. 

Hat sich an den Songs etwas durch die Corona-Krise verändert?

Pippa: Nein. Interessanterweise ist es nur so, dass der Titel „Idiotenparadies!“ jetzt perfekt passt. Da muss ich mich selbst loben (lacht). Der große Wermutstropfen ist aber, keine Konzerte spielen zu können.

Wer die neuen Songs hört, wird gefordert. Leichtigkeit und Schwere treffen hier aufeinander. Ist das Ihr Stil?

Pippa: Es gehört zu meinem Stil, denn es ist mir wichtig, nicht etwas zu machen, was den Zeitgeist trifft. Für mich muss Musik Bestand haben. In den neun Songs zeigt sich eine große Bandbreite.

Woher rührt die?

Pippa: Ich mag prinzipiell keine Schubladen und mein Musikgeschmack ist sehr divers. Mir gefällt nicht viel, aber mir gefallen sehr unterschiedliche Sachen.

Was zum Beispiel?

Pippa: Im Moment höre ich sehr gerne Billie Eilish und Sevdaliza, die ich wieder entdeckt habe. Ich mag spannende Sounds, die sehr reduziert sind. Früher habe ich auch viel Radiohead gehört, bin aber auch mit den Beatles groß geworden. Sie legen für mich musikalisch die Latte so hoch, weil jeder ihrer Songs als leicht zu nehmender Pop-Song funktioniert und trotzdem total komplex ist.

Sie sind in ihren Liedern verletzlich, sprechen Zweifel und Unsicherheit an. Denken Sie viel über sich nach?

Pippa: Ich habe sehr viel in meinem Leben über das Zweifeln und das Scheitern nachgedacht, bin aber immer wieder zu dem Schluss gekommen, dass das in Wahrheit eine große Stärke ist. Wenn ich etwas vorgebe, was ich nicht bin, dann kann ich dem irgendwann nicht mehr gerecht werden. Wenn ich also persönlich werde, meine Verletzlichkeit zeige, dann bin das ganz einfach ich.

Musikalisch steht diesmal der Sound stärker im Vordergrund. War das Plan?

Pippa: Die Texte sind mir nach vor wichtig, aber ich wollte ganz bewusst von der Liedermacherin weg. Ich wollte freakige Sounds ausprobieren und so jedem Song bewusst eine spezielle Soundwelt geben. 

Wie lange hat es gedauert, bis Sie selbst mit dem Ergebnis zufrieden gewesen sind?

Pippa: Ich bin schon sehr perfektionistisch, aber gleichzeitig auch sehr getrieben. Bis etwas fertig ist, kann ich es sehr schlecht ruhen lassen. Vor allem in den Phasen, wo es um den Feinschliff geht.

Kommen Sie sich manchmal wie ein Exot in der musikalischen Szene der Gleichförmigkeit vor?

Pippa: Dieses Gefühl habe ich schon manchmal. Es gibt Momente, wo mich das auch beschäftigt und ich mir denke, dass ich meinen Platz nicht finde, weil sich meine Musik nicht anbiedert und hip ist. Dann gibt es aber auch die Momente, wo ich spüre, dass gerade das geschätzt wird. Aufgrund der Singles, die schon veröffentlicht wurden, fühle ich, dass ich mit diesem Album Resonanz finde, etwas mehr ein Teil einer Szene geworden bin, aber trotzdem Musik mache, die sehr eigen ist. Das will ich auch beibehalten. Wenn der Preis das Dazugehörens der wäre, das zu machen, was viele andere tun, dann würde ich das nicht machen. Wenn etwas das Potenzial hat, erfolgreich zu sein, dann ist es das, was ganz nahe bei einem ist.

Welche Bedeutung hat Erfolg für Sie?

Pippa: Ich freue mich darüber. Ich freue mich vor allem über Anerkennung von Menschen, die ich selbst schätze. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, es ist mir gar nicht wichtig, dass es weitere Kreise zieht. Aber ich möchte mich nicht zu sehr abhängig davon zu machen, ob ein Song jetzt in den Charts ist und ich einen Preis dafür bekomme.

Sie haben gesagt, dass Sie es bedauern, das Album nicht live präsentieren zu können. Gibt es durch Corona da schon einen Plan B?

Pippa: Nein, gar nicht. Ich kann nur schauen, was die Zeit bringt. Ich habe ein Release-Konzert vor mir und hoffe sehr, dass es stattfinden wird. Und es gibt den groben Plan, die Tour ins Frühjahr zu verschieben, aber letztlich weiß niemand, ob es dann möglich sein wird. Die Leute kaufen auch keine Tickets. Sie haben Angst, das ist verständlich. Ich habe schon in der Phase des Lockdowns gemerkt, dass das virtuelle Streamen ein Kanal ist, um die Musik zu den Menschen zu bringen, aber wenn das bedeutet, dass es gratis ist, kann es das auf Dauer nicht sein. Zudem fehlt mir die Interaktion mit dem Publikum, die es in Konzerten gibt.

Können Sie in dieser Situation ruhig bleiben? 

Pippa: Ich merke, ich werde jetzt ruhiger. Es wird passieren. Ich möchte mir nicht den Kopf darüber zerbrechen, wie schade es ist, dass das Album erscheint und ich die Songs nicht live spielen kann. Es ist so wie es ist. Ich möchte mich in Gelassenheit üben, weil ich es nicht ändern kann. Das funktioniert im Moment ganz gut. Und ich bin stolz darauf, dass ich schon zwei Alben geschrieben und veröffentlicht habe. 

Dabei wurde Ihnen in Schulzeiten mangelndes Talent und fehlender Ehrgeiz vorgehalten. Spüren Sie so etwas wie Befriedigung, was die offenbar falsche Einschätzung von Lehrern im Musikgymnasium betrifft? 

Pippa: Dieses Gefühl der Befriedigung, etwas aus sich heraus zu schaffen, ist wirklich da und das ist sehr schön. Aber ich glaube nicht, dass der Zweifel notwendig war. Ich habe in meiner gesamten Schulkarriere keine gute Zeit gehabt. Mir wurden sehr viele Blockaden aufgebaut, von denen ich mich über Jahre lösen musste. Nicht, dass ich dadurch Zeit verloren habe, weil alles hat seine Zeit und es war auch für etwas gut, weil ich andere Dinge gemacht habe. Aber es war unnötig. Ich denke mir, dass ich jetzt weiß, was ich kann und was ich nicht kann. Ich bin keine Musiktheoretikerin, ich spiele kein Instrument perfekt, aber ich habe etwas zu sagen – und das hat auch eine Legitimität. Das Handwerk ist das eine, der künstlerische Impuls ist etwas anderes. Das kann einem niemand beibringen. Da wäre es an der Gesellschaft und dem Schulsystem, den Kindern gerade in künstlerischen Fächern zu sagen, wie es gehen kann, sie aber nicht runter zu machen. Mir wurde als Kind eine Zeichnung vom Lehrer mit den Worten „das ist falsch“ zerrissen. Das kann man in Bezug auf Kunst nicht sagen und vor allem kann man das einem Kind nicht so vermitteln.

Wie ist es Ihnen dann mit der Schauspielerei gegangen, wo ja auch ganz viele über richtig und falsch urteilen? 

Pippa: Das stimmt. Ich mag den Beruf sehr und habe über die Jahre mit vielen tollen Menschen gearbeitet, aber es sind auch viele merkwürdige Menschen in der Schauspielerei unterwegs. Deshalb mag ich die Autonomie, die man in der Musik hat, wo man bis zum Video und zum Artwork das Gesamtkonzept im Blick hat. In der Schauspielerei muss ich mich mit fremden Texten in Rollen einfügen, deshalb habe ich meinen Fokus jetzt auf die Musik verlegt, weil ich da keine Kompromisse mehr eingehen muss.

Ist das Selbsterlebte, Selbstgefühlte notwendig, um Texte so wie Sie schreiben zu können?

Pippa: Ich habe sicher jetzt andere Dinge zu sagen als wie vor zehn Jahren. Jeder Mensch ist ein Kosmos und macht sich Gedanken. Die Gedankenwelt ist reich. Es ist schön, wenn man beschreibt, was man erlebt hat. Man kann aber auch aus seinem Inneren schöpfen und die Gedanken zu Songideen entwerfen.

Pippa "Idiotenparadies" (Las Vegas Records)

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Autor
Reinhold Gruber
Lokalredakteur Linz
Reinhold Gruber
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