Marcus Mumford verarbeitet seine Traumata auf einer exzellenten Debütplatte.
Oft ist der künstlerische Mehrwert dezent überschaubar, wenn Frontmänner auf Solopfaden wandeln. Meist liefern sie das Gleiche wie mit der Stamm-Combo, plus einige „mutige“ Experimente, sprich schwächere Songs, die ihnen die Bandkollegen sonst ausgeredet hätten. Nicht so im Fall von „Mumford & Sons“-Chef Marcus Mumford. Der 35-Jährige legt jetzt mit seinem selbstbetitelten Solodebüt eine so intime wie direkt zu Herzen gehende Platte vor, die qualitativ weitaus besser ist als die vorangegangenen Band-Alben.
Äußerst spärlich instrumentiert, wagen sich die zehn Lieder nur selten in die üblichen Folkrockhymnen-Gefilde vor. Als Herzstücke der in Los Angeles eingespielten LP fungieren die beiden phänomenalen Auftaktsongs „Cannibal“ und „Grace“. Ersteres eine erschütternd offenherzige Ballade, in der Mumford seinen im Alter von sechs Jahren erlittenen sexuellen Missbrauch aufarbeitet, zweiteres ein seelenvoller, rauer Country-Song in der er seiner Mutter eben dieses Trauma beichtet. Auch der Rest ist emotional schwere Kost.
Der atmosphärische, sanfte Wohnzimmer-Pop „Prior Warning“ handelt von einer Intervention, die seine Ehefrau aufgrund von Mumfords außer Kontrolle geratener Sauferei abhielt, das herrlich wüst krachende „Better Off High“ wiederum verhandelt die Freuden der Selbstmedikation. Es gibt aber auch hellere Momente auf der Platte, etwa die gefälligen „Better Angels“ und „Go in Light“.
Das Nasse in die Augen treibt
Spätestens zum grandiosen Final-Doppelpack sind auch die ein, zwei etwas schwächeren Stücke verziehen. Denn sowohl das zusammen mit Phoebe Bridgers gesungene „Stonecatcher“ als auch „How“ (mit Brandi Carlile) sind zarte Folk-Schleicher, die selbst hartgesottenen Hörern sofort das Nasse in die Augen treiben.
CD-Kritik: Marcus Mumford „Self-Titled“ (Universal Music) OÖN-Bewertung: 5 von 6 Sternen
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