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Der Happy-End-Liebhaber

Von Reinhold Gruber, 24. Jänner 2020, 10:11 Uhr
Johannes Oerding hat auf seinem sechsten Album „Konturen“ viel Wert auf musikalische Basics gelegt. Bild: Sony Music

Auf seinem neuen Album „Konturen“ präsentiert sich der deutsche Sänger und Songwriter Johannes Oerding reif, aber auch nachdenklich. Im Interview spricht der 38-Jährige über analoge und digitale Welten, Verantwortung und seine Teilnahme an der Show „Sing meinen Song“. 

Es scheint, als wären Ihnen die neuen Lieder leicht von der Hand gegangen. Sind Sie Ihnen zugeflogen oder mussten Sie intensiv auf die Suche gehen?

Johannes Oerding: Ich würde schon sagen, dass es ein intensiver Prozess war. Ich war zuvor so viel auf Tour, dass ich ganz darauf vergessen habe, neue Lieder zu schreiben. Irgendwann hatte ich kurz die Panik, dass mir nichts einfallen könnte. „An guten Tagen“ war die erste Idee, die ich umgesetzt habe. Das hat mich beruhigt. 

Sie wollten mehr analog als digital machen, um mehr Seele in die Musik zu bringen. Warum?

Die Menschen spüren, ob hier Menschen am Werk sind. So viel Live-Musiker wie möglich waren mir im Studio wichtig. Wir haben sogar ein echtes Hackbrett verwendet. Es klingt auch so, als hätte die Band ganz nach alter Schule zusammen im Studio gesessen und die Songs eingespielt. So war es ja auch. Der Vibe der Band, die wir nun schon seit 13 Jahren sind, sollte spürbar sein. 

Auf „Konturen“ begegnet man reifen und ernsten Gedanken. Manchmal klingen Sie fast ein wenig pessimistisch, wenn Sie davon singen, dass wir das Leben verlernt haben oder es an der Zeit ist, sein Leben wieder selbst in der Hand zu haben. War es die Intention, die persönliche Sicht auf die Gesellschaft und das Leben so zum Ausdruck zu bringen?

Das ist schon sehr gut auf den Punkt gebracht. Ich schreibe  Fragen, die ich mir stelle, Zweifel, die ich habe, auf, singe darüber, habe aber immer einen Schimmer an Hoffnung. Das liegt daran, dass ich charakterlich ein Typ bin, der auf Happy-Ends steht.

Wieso?

Ich kann es nicht ertragen, wenn man keine Lösungen parat hat beim Versuch, etwas wieder geradezubiegen. Ich mag diese Hoffnung. Ich mag es auch, in einem Song mehrere Gefühle unterzubringen. Der Unterschied zu meinen Vorgängeralben ist, dass ich diesmal über die Themen schreibe, die mich als Enddreißiger mehr interessieren. In der Welt passiert gerade so viel, dass man gar nicht hinterherkommt, das alles niederzuschreiben.

Beim Blick auf eine Welt voll Neider, Ängstlichen, Nationalisten und nicht mehr zur Diskussion Fähigen fällt Ihnen was ein?

Dass es der Erfolg von Europa ist, dass wir hier schon so lange in Frieden leben. Auf die Frage, was alle wollen, hieß es hier leben, Geld verdienen, Wohlstand haben. Das erreicht man, in dem man mit allen um uns herum handelt. Es macht keinen Sinn, seinen Handelspartner zu erschießen, weil man dann keinen mehr hat, mit dem man handeln kann. Dieser schlaue Gedanke Europas ist nicht mehr da. Ich hoffe, dass es auf der Welt neben einer kollektiven Dummheit auch ein kollektives Herz gibt, das stärker ist und die Welt in die richtige Richtung lenkt.

Zurück zur Musik: In „Unter einem Hut“ singen Sie so schön „ich teile mich auf, in leise und laut“. Sind Sie der Leise oder der Laute?

Ich bin ambivalent. Das ist meine größtes Problem und gleichzeitig wohl meine größte Stärke. Ich kann ein sehr impulsiver Mensch sein, kann aber auch ein sehr ruhiger Kandidat sein, der Zweifel hat und Dinge zulässt. Im Lied  „Unter einem Hut“ habe ich mich den Menschen einmal vorgestellt (lacht). Alle Künstler wollen Applaus haben, wollen geliebt werden. Das lässt dich zeitgleich immer zweifeln oder hinterfragen.

In „Anfassen“ sagen Sie, Sie wollen ihr Leben wieder selbst in der Hand haben und dass wir uns verlaufen. Ist das ein Statement gegen die Maschinerie unserer Zeit?

Ich denke, wir sollten wieder mehr auf uns vertrauen und uns nicht zu sehr davon ablenken zu lassen, was rund um uns passiert. Vorfiltern und vorgaukeln. Bei allem Erfolg und der damit verbundenen Selbstentfaltung verspüre ich eine immer größere Verantwortung jenen Menschen gegenüber, die mein Team bilden.  Meine Plattenfirma, mein Management, meine Konzertagentur. Da hängen mittlerweile Existenzen dran, die einen natürlich nicht immer frei in seinen Entscheidungen sein lassen. 

Sie können also nicht einfach eine Pause einlegen?

Würde ich mir vornehmen, einmal zwei Jahre Pause zu machen, dann geht das nicht so einfach. Das würde für 30 Menschen bedeuten, dass sie ihre Arbeit verlieren würden. Auch wenn ich weiß, dass dies für mich als Künstler nicht meine Verantwortung sein sollte, so mache ich mir doch darüber Gedanken, weil ich so erzogen worden bin. Aber ich merke mittlerweile, ich darf mir mehr erlauben. Ich kann viel besser und lieber Nein-Sagen. Und ich merke auch, dass das Nein-Sagen das ist, was mein Profil als Künstler ausmacht. Ich glaube, es sind letztlich die Dinge, die man nicht macht, die das Profil eines Künstlers bestimmen, und nicht die Dinge, die man macht. Als ich angefangen habe, konnte ich das überhaupt nicht. Der größte Luxus ist, zu sagen: Nein, das mache ich nicht, das fühlt sich für mich nicht gut an.

Sie waren vergangenes Jahr in der TV-Musik-Show „Sing meinen Song“ dabei. Was hat diese Sendung mit Ihnen gemacht?

Es war eine Sozialstudie. Zu sehen und zu erleben, was die eigene Musik mit anderen macht und was das wiederum bei einem selbst auslöst, hat dazu geführt, dass ich meine Lieder neu entdeckt habe. Sie waren in der Interpretation der anderen Künstler  teilweise fast besser als das Original, weil sie komplett anders arrangiert wurden. Zudem habe ich viele neue Freundschaften geschlossen, auch musikalische.

Johannes Oerding "Konturen" (Columbia)

Das Cover Bild: Columbia
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Autor
Reinhold Gruber
Lokalredakteur Linz
Reinhold Gruber
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