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Wolfgang Niedecken: „Ich habe nie einen Masterplan gehabt“

Von Von Reinhold Gruber, 29. April 2010, 15:48 Uhr
„Ich habe nie einen Masterplan gehabt“
Wolfgang Niedecken (2. v .re.) und seine musikalischen Gefährten von BAP sind auf dem richtigen Gleis geblieben. Bild: MI/Bothor

BAP sind ein musikalisches Phänomen. Seit 34 Jahren ist die Band um Wolfgang Niedecken erfolgreich. Höchst erfolgreich. Jetzt spielen die Kölsch-Rocker eine Extratour, die sie am 6. Mai in den Linzer Posthof führt. „was ist los?“ sprach mit Niedecken über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Es ist verdammt lang her, um mit BAP zu sprechen, dass es diese Band gibt. Vor 34 Jahren begann alles, mit dir als der großen Konstanten über all die Jahre. Wie geht es dir, wenn du auf diese 34 Jahre zurück blickst?

Niedecken: Dass das überhaupt jemals vor die Tür des Proberaums kommen würde, haben wir nie gedacht. Dass dann ein Angebot kommen würde, eine Platte zu machen, haben wir nie gedacht. Dass es dann auf einmal funktioniert und sogar überregional wird, haben wir nie gedacht. Dass es dann länger als eine Platte und eine Tour dauern wird, haben wir auch nie gedacht. So jetzt kann ich das so weitermachen. Selbst nach einem Jahrzehnt haben wir das Gefühl gehabt, es müsste zu Ende gehen. Jetzt sind wir im vierten Jahrzehnt und das ohne jemals einen Comebackversuch machen zu müssen. Wir waren immer da. BAP ist eine Band, die jetzt so lange zugange ist, so viele Häutungen hatte, und trotzdem regelmäßig neue Alben macht, die hoch in die Charts gehen. Wir können in Ruhe arbeiten, haben ein großes Stammpublikum. Wir können machen, was wir wollen.

Das konntet ihr immer, oder?

Niedecken: Ja. Uns hat noch nie jemand reingeredet. Wenn wir Herumredereien hatten, dann waren das Spannungen innerhalb der Band, Richtungskämpfe. Aber das gehört auch dazu. Wenn man von dem leben kann, was man ursprünglich einmal als Hobby angefangen hat und das selbstbestimmt über so eine lange Zeit erfolgreich tut, dann ist das schon Klasse. Ich habe genügend Freiraum, um kreativ zu sein.

Hast du irgendwann einmal für dich eine Erklärung dafür gefunden, was das Besondere an BAP und an diesem konstanten Erfolg mit hohem Qualitätslevel in der Musik ist?

Niedecken: Erklärungen können immer nur Versuche sein. Wir haben, glaube ich, relativ wenige Fehler gemacht, was unsere musikalische Richtung betrifft. Wenn es diese Tauziehereien in der Band gab, dann haben wir sie auch ausgetragen. Wir haben nicht gekniffen vor Veränderungen, die das Publikum gar nicht gerne hat. Ich behaupte, dass es vorbei ist, wenn man vor lauter Angst vor dem Publikum entscheidet. Wenn Leute nur mehr in einer Band zusammen spielen, weil das Bild erhalten bleiben muss, dann funktioniert das nicht. Der Vergleich mit dem Fußball hinkt zwar, wenngleich auch Hinken eine Form der Annäherung ist. Wenn du in einer Fußballmannschaft immer nur die Publikumslieblinge einsetzt, egal, ob die nun noch Bock haben oder nicht, dann wirst du nicht weit kommen. Rock’n’Roll ist ein Mannschaftssport. Du wirst nicht weit kommen, wenn du die Mannschaft nach der Boulevardpresse aufstellst oder nach dem, was die im Stadion am liebsten hätten.

Du musst schon so aufstellen, dass Laufwege eingeprobt sind, Standards funktionieren. Vor allen Dingen musst du handeln, wenn du als Trainer weißt, dass der eine gar nicht mehr motiviert ist und du schon an der Körperhaltung erkennst, dass er keine Lust mehr hat. Diese Konflikte hast du sowohl als Bandleader wie auch als Fußballtrainer zu lösen. Du musst zu einem Ergebnis kommen. Das war eine wichtige Sache, wobei das eine instinktive Sache war. Ich habe nie einen Masterplan gehabt. Ich habe immer nur das Gefühl gehabt, wenn wir das nicht machen, dann werden wir irgendwann anstehen und nicht mehr weiterkommen. Wir haben daher immer die Veränderungen gemacht, und das hat zu einer Auffrischung geführt, weil neue kreative Momente in die Band gekommen sind. Die, die keine Lust mehr hatten oder etwas anderes machen wollten, haben Platz gemacht. Dieses Frischbleiben ist die einzige Erklärung, die ich über das ganz simple „Anscheinend haben wir etwas Unaustauschbares gemacht, auf das nicht jeder kommt“ habe. Das war ja auch mutig, wenngleich es ein Zufall war. Wir sind mit dem Kölsch-Singen nicht angetreten, um Erfolg zu haben.

Wie führte der Zufall Regie?

Niedecken: Damals, im Jahr 1976, haben sich im Probenraum immer andere Leute getroffen, die irgendwann in den 60er-Jahren in Beatbands gespielt haben. Wir wollten einfach noch einmal zusammen ein bisschen Musik machen. Irgendeiner kannte die Akkorde von einer Nummer, dann haben wir noch nach dem Text gefragt und haben damit herumgespielt. So eine Band waren wir. Irgendwann hatte ich den ersten Text auf Kölsch geschrieben. Da haben die anderen gesagt, das ist klasse und dass ich mehr davon machen soll. Das habe ich gemacht. So ging es los. Es war überhaupt kein Plan, damit aufzutreten. Ich weiß noch, meine damalige Freundin sagte: Wenn ihr das nächste Mal die Anlage aus dem Proberaum heraustragt, habt ihr bestimmt einen Auftritt. Wir sind zusammengebrochen, weil wir so darüber gelacht haben.

Hast du schnell gemerkt, dass die erdige Musik mit der Sprachmelodie des Kölsch gut zusammenpasst?

Niedecken: Das hat sich sehr schnell herausgestellt. Rock’n’Roll ist eine proletarische Musik. Sie ist aus Blues und Folk entstanden sowie aus den Menschen, die in Amerika gelebt haben, die Sklaven genauso wie die Einwanderer. Sie alle haben ihre Musik mitgebracht, und die hat sich dann vermischt. Irgendwann einmal war eine Folge davon Rock’n’Roll, die zur internationalen Weltmusik geworden ist. Mit der Sprache, in der ich singe, verhält es sich ähnlich. Ich kann mich noch erinnern, als ich in den 1950er-Jahren aufgewachsen bin, hat meine Mutter irgendwann gesagt, dass ich langsam einmal Hochdeutsch lernen muss. Wir sprachen zu Hause nur kölsch. Das gehörte sich irgendwie nicht. Das Kölsche ist eigentlich Proletensprache. Natürlich passen Proletensprache und Proletenmusik hervorragend zusammen. Wenn du einen Dialekt hast, der nicht gut singbar ist, dann hast du ein Problem. Aber Kölsch ist biegsam, weich, dem Englischen sehr vergleichbar. Es gibt Platten von uns, da denkst du gar nicht darüber nach, dass es komisch klingen könnte. Es ist eine erdige Sprache, die sich gut singen lässt.

Hast du das Singen in Hochdeutsch jemals probiert?

Niedecken: Wir hatten Tauziehereien in der Band, da war das Mitte der 80er-Jahre ein Thema. Als wir das Album „Ahl Männer, ahl glatt“ aufgenommen haben, wollte eine große Fraktion in der Band, dass ich das auf jeden Fall hochdeutsch singe und es gab sogar schon zwei Songs, die ins Englische übersetzt wurden. Es war der große Versuch, das Ding auf eine internationale Stufe zu heben. Ich habe gemerkt, sobald ich es auf Hochdeutsch mache, verliert es an Kraft, und die beiden englischen Songs, die es gab, habe ich mich geweigert, zu singen. Das wäre gegen meine Überzeugung gewesen. An der Stelle stand ich mit dem Rücken zur Wand. Ich weiß genau, wenn ich das gemacht hätte, dann hätten wir uns überflüssig gemacht. Lass uns ehrlich sein: 1986 waren wir nicht die Band, die sie heute ist. Heute spielen wir auch musikalisch auf einem internationalen Level. 1986 waren wir immer noch eine Runkeltruppe. Wer braucht ein Runkeltruppe, die mit deutschem Akzent englisch singt? Wir wären eine Lachnummer gewesen.

Inhaltlich sind BAP immer für einen guten Blick auf die Gesellschaft und auch die politischen Veränderungen sowie für einen guten Blick auf das Leben gestanden. Würdest du sagen, dass dies auch die beiden inhaltlichen Ebenen sind, wo BAP auch für dich beim Schreiben funktioniert?

Niedecken: Diese Bereiche sind fließend. Was ist ein politisches Lied? Damit sind meist diese Barrikadenlieder gemeint. Von dieser Sorte Aufforderungslieder haben wir im Lauf der Jahre nur vielleicht fünf gehabt. Für mich sind politischere Stücke die, in denen man sich in Einzelschicksale hineinversetzt. Bruce Springsteen schreibt sehr politische Songs. Er singt etwa von Leuten, die arbeitslos geworden sind und beschreibt ihre Situation. Diese Lieder sind kurze Gedichte, fast schon Kurzgeschichten.

Das Beobachten ist auch für deine Lieder wichtig, oder?

Niedecken: Beobachtend durch die Gegend zu gehen, ist etwas Tolles. Wenn ich wo hinkomme, wo ich noch nie war, dann liebe ich es, mir das Ganze mit frischen Augen anzuschauen. Das ist etwas, das du als kreativer Mensch eher bemerkst, als jemand, der dafür keinen Sinn hat. Es geht um Sinnlichkeit. Es ist toll, so empfinden zu können.

Ist die Extra-Tour, die euch nach Linz führt, aus der Lust am Spielen heraus entstanden?

Niedecken: Nachdem wir mit Hubert von Goisern und seiner Band an seiner Linz-Europa-Tour teilgenommen haben, was ein wunderschönes Erlebnis war, haben wir vor allem das Abschlusskonzert im Linzer Hafen im Juli des vergangenen Jahres in sehr angenehmer Erinnerung. Aus dieser Verbindung entstand die Idee, eine kleine Österreich-Club-Tour zu machen. Die Band will, und ich freue mich total darüber.

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