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"Meine Nichten kennen nur mehr Netflix, keinen Hader, keinen Dorfer"

Von Karin Schütze, 17. Mai 2019, 06:54 Uhr

Sein neues Programm "Humor im Hemd" zeigt Alf Poier am 6. Juni im Linzer Posthof und im Herbst in Bad Hall. Über Opportunismus in der Kunst und seine Vergangenheit als Läufer hat er mit den OÖN gesprochen.

Wie man ein Rennen "aus Faulheit" gewinnt und warum er eigentlich Kunst macht, verrät Alf Poier im Gespräch.

In Ihrem neuen Programm "Humor im Hemd" gibt es einen Message Controller. Würde ich "Mohr im Hemd" bestellen, würde der Alarm losgehen?

Alf Poier: (lacht): Das kann leicht sein. Grundsätzlich geht es darum, was kann, soll und darf überhaupt noch gesagt werden? Der Message Controller schlägt schon oft an im Programm. Aber das Programm heißt "Humor im Hemd", weil ich ein Hemd auf der Bühne anhabe und lustig bin. Die Leute denken natürlich sofort an "Mohr im Hemd" – von meiner Seite ist das natürlich überhaupt nicht beabsichtigt.

Natürlich nicht. Sie sprechen von der digitalen Diktatur. Wie gehen Sie mit dem Internet um?

Ich sehe mich grundsätzlich als aufgeklärten Kulturpessimisten. In diesem Sinn bin ich momentanen und zukünftigen Entwicklungen skeptisch gegenüber. Ich nutze das Internet, aber ich zahle alles mit Erlagschein ein, ich mache kein E-Banking. Seit ein paar Tagen mache ich Instagram. In meiner Branche hat die Digitalisierung mehr Nachteile gebracht als Vorteile. Alles kann man sich gratis anschauen. Es ist vielleicht umweltschonender, aber jetzt verdienen halt andere – die Anbieter. Aber die Künstler, die die Arbeit haben, verdienen weniger.

Sie spielen diesmal ums Überleben: Wenn weniger als 20.000 Besucher kommen, möchten Sie aufhören. Wie ist die Bilanz bisher?

Seit Mitte März sind es knapp 5000 Leute, das Programm wird sehr gut angenommen. Aber ich möchte das auch als Drohung ans Publikum verstehen. Wenn die Leute nicht ins Theater kommen und sich alles im Internet ansehen, werde ich nicht mehr herumfahren. Meine Nichten kennen nur mehr Netflix, keinen Hader, keinen Dorfer, keinen Niavarani. Durch die Digitalisierung wird die Bildung schon sehr auf das beschränkt, was die Algorithmen bestimmen.

Auch auf Ihrer Homepage steht: Als Künstler darf man sich von niemandem instrumentalisieren lassen …

Ich habe das Gefühl, dass die Politik im Kabarett sehr einseitig behandelt wurde. Das Kabarett hat sich von der Politik instrumentalisieren lassen. Das Kabarett, die Kunst soll frei sein. Ich finde, dass die Kunst- und Kulturszene sehr opportunistisch geworden sind. Wenn man Leute privat trifft, reden sie etwas anderes, als sie dann vor dem Mikrofon sagen. Ich akzeptiere jede Meinung, aber diese Falschheit und Verlogenheit akzeptiere ich nicht. Ich möchte wissen, woran ich bin.

Haben Sie Ihre Teilnahme am Song Contest 2003 bereut?

Ich habe mich auch beim Song Contest nicht instrumentalisieren lassen. Man wollte mir Kleidervorschriften machen. Ich hab’ das alles nicht gemacht. Doch ich bereue es nicht, es hat mir viel gebracht. Aber ich habe das Gefühl, dass der komplette Song Contest jetzt immer mehr von der Politik vereinnahmt wird. Ich habe mich damals ziemlich rausgehalten und hatte auch genug Probleme, weil ich nicht so mitgespielt habe, wie man es von mir erwartet hätte.

Für Ihre Aussagen über Conchita Wurst haben Sie sich bei Tom Neuwirth entschuldigt. Haben Sie noch Kontakt zueinander?

Ich habe sie nie privat getroffen. Das ist ein Beispiel dafür, wie weit der Opportunismus in diesem Land fortgeschritten ist: Ich weiß, welche Leute die Reden für sie gehalten haben bei ihrem Sieg und ich weiß auch, wie sie privat über sie reden.

Ihr Museum für "Botschaft für Bewusstsein, Scheißdreck und Kunst" haben Sie wieder geschlossen. Warum?

Ich werde das wieder bauen. Es war mir damals zu viel. Ich war wahnsinnig viel auf Tournee, bin heimgekommen und der ganze Garten war voller Leute. Es war der falsche Ort und die falsche Zeit. Aber ich will das unbedingt wieder machen.

Sie waren Bergläufer im Nationalteam. Haben Sie vom Sport etwas für die Bühne mitgenommen?

Die Ausdauer, wenn es auf der Bühne 40 Grad hat. Es war eine gute Willensschulung. Mittlerweile habe ich beide Menisken operieren müssen, aber ich laufe ein bissl zum Spaß und für die Grundausdauer.

Wieviel haben Sie trainiert?

Ich habe nicht so trainiert, wie man trainieren sollte. Ich habe mir auch damals von niemandem etwas sagen lassen. Aber ich habe den Weltcup-Zehnten überholt. Die meisten Rennen habe ich eigentlich nur aus Faulheit gewonnen. Ich wollte nur meine Ruhe haben, drum bin ich so schnell gelaufen, wie ich konnte. Ich habe immer mit den anderen gesprochen. Das kostet zwar Energie, aber der andere denkt sich: Um Gottes willen, der kann noch reden, der muss noch viel besser in Form sein als ich.

Haben Sie nächste Pläne?

Viele Dinge sind angedacht. Jetzt bin ich froh, dass das Programm super läuft. Mir gefällt der Spruch von George Orwell sehr gut: Je weiter sich eine Gesellschaft von der Wahrheit entfernt, desto mehr werden jene kritisiert, die diese aussprechen. Jetzt müssen wir nur noch wissen, was die Wahrheit ist. Ich habe keine Familie. Kultur ist die metaphysische Revolte des Menschen gegen seinen eigenen Tod. Aus dem Grund mache ich Kunst. Ich versuche, mein Ableben durch Kunst zu verlängern. Das stammt von Albert Camus, der mir sehr sympathisch ist.

Sind Sie Existenzialist?

Nein gar nicht. Meine Lieblingsphilosophen sind eher Schopenhauer und Nietzsche. Ich glaube, dass das Universum eher nietzscheanisch als kantianisch tickt. Obwohl gegen den kategorischen Imperativ nichts einzuwenden ist.

Glauben Sie an Gott?

Da bin ich ganz bei Ludwig Feuerbach: Nicht Gott hat den Menschen erschaffen, der Mensch hat Gott erschaffen. Glauben heißt letztlich zweifeln. Und wer aufhören will zu zweifeln, muss aufhören zu glauben. Ich bin Agnostiker. Mir ist eine sichere Unsicherheit lieber als eine unsichere Sicherheit.

Was wünschen Sie uns allen?

Ich wünsch den Leuten nie, dass alles gut wird, aber dass sie mit dem, was auf sie zukommt, gut zurechtkommen.

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2  Kommentare
2  Kommentare
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Nuirgendwer (93 Kommentare)
am 17.05.2019 07:19

Ein Interview mit Alf Poier bringen, ganz ohne ihn auf seine homophoben und rassistischen Aussagen anzusprechen ist auch eine Leistung

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essbesteck (6.034 Kommentare)
am 17.05.2019 08:31

wurde super gelöst:

"Ich habe das Gefühl, dass die Politik im Kabarett sehr einseitig behandelt wurde. Das Kabarett hat sich von der Politik instrumentalisieren lassen. Das Kabarett, die Kunst soll frei sein. Ich finde, dass die Kunst- und Kulturszene sehr opportunistisch geworden sind. Wenn man Leute privat trifft, reden sie etwas anderes, als sie dann vor dem Mikrofon sagen. "

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