Marie N’Diaye: "Eine Meisterin der literarischen Figurenzeichnung"
Die französische Autorin Marie N’Diaye erhält den mit 25.000 Euro dotierten österreichischen Staatspreis für europäische Literatur.
Die französische Autorin Marie N’Diaye erhält heuer den seit 1965 vom Kulturministerium vergebenen österreichischen Staatspreis für europäische Literatur. Die Auszeichnung ist mit 25.000 Euro dotiert und wird der 54-Jährigen im Rahmen eines Festaktes während der Salzburger Festspiele offiziell verliehen. Dies gab Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) am Dienstag bekannt. N’Diaye folgt damit der Schottin Ali Smith nach, die die Ehrung 2022 erhielt.
"Wer denkt, es sei alles in bester Ordnung in unserer liberalen Wohlstandsgesellschaft, der irrt. Man muss nur einen Roman von Marie N’Diaye aufschlagen und weiß, dass vieles im Argen liegt", zollte Mayer der Literatin ihren Respekt: "N’Diayes Bücher sind komplex komponierte, in glasklarer Sprache geführte Gegenwartsanalysen, die aktuelle Fragen zu Geschlecht, Herkunft, Hautfarbe und sozialer Klasse aufgreifen und bis in die feinsten Verästelungen des Zwischenmenschlichen hinein verfolgen."
Auch die Jury hob in ihrer Begründung die Breitenwirkung der Autorin hervor: "Sie hat Europa wörtlich genommen erfahren, lebte mit ihrer Familie auch viele Jahre in Spanien, Italien, den Niederlanden und Deutschland." Die daraus gewonnenen Einflüsse seien heute unübersehbar: "Sie gehört längst schon zu den Besten unserer Zeit. Diese Autorin ist stilistisch brillant, eine Meisterin der Figurenzeichnung. Sie schlägt ihr Publikum mit raffinierten Erzählweisen in ihren Bann, lässt immer wieder Abgründe erahnen."
N’Diaye ist als Prosaautorin bekannt geworden und gewann dabei mit Werken wie "Die lieben Verwandten" (1993), "Alle meine Freunde" (2006), "Mein Herz in der Enge" (2008) oder zuletzt "Die Rache ist mein" (2021) auch eine deutschsprachige Leserschaft. Sie feierte jedoch ebenso am Theater Erfolge mit Stücken wie "Hilda" und "Die Schlangen".