Marie-Luise Stockinger: "Bin dankbar, wieder drehen zu dürfen"
Marie-Luise Stockinger zählt zu den bemerkenswertesten Schauspielerinnen des Landes. Die 27-Jährige aus St. Florian/Linz ist seit fünf Jahren im Burgtheater-Ensemble, vor zwei Jahren begeisterte sie in Robert Dornhelms Historien-Spektakel als Kaiserin Maria Theresia. Nun steht sie für die neue Stadtkomödie "Die Freundin meines Vaters" in Graz vor der Kamera, die Ende 2021 auf ORF 1 zu sehen sein wird. Im OÖN-Interview spricht sie über das Drehen in Zeiten von Corona, Mutter-Tochter-Konflikte und wie sie den Weg zum Schauspiel fand: "Ein großer Versuch der Selbstbehauptung."
Frau Stockinger, Sie stehen gerade für die ORF-Stadtkomödie vor der Kamera. Wie funktioniert das Drehen in Zeiten von Corona?
Marie-Luise Stockinger: Mit sehr vielen Vorsichtsmaßnahmen. Am Set gibt’s verschiedene Pools, zum Beispiel den inneren Kern, der im selben Hotel wohnt, oder den äußeren Kern, der zum inneren Kern keinen Kontakt haben soll. Man versucht jeglichen direkten Kontakt zu vermeiden. Befremdlich, ist aber sicherer so.
Sind Sie froh, endlich wieder arbeiten zu können?
Ja, natürlich! Ich gehe mit einem dankbaren Gefühl ran. Der Dreh hätte eigentlich im April und Mai stattfinden sollen. Ich habe nicht damit gerechnet, dass es jetzt schon möglich ist.
Sie spielen Anna Fiedler, die den wesentlich älteren Rock-Star Richie Moosleitner (Fritz Karl) heiraten will, was ihre Mutter (Aglaia Szyszkowitz) um jeden Preis zu verhindern versucht, weil sie selbst einst eine Liebschaft mit ihm hatte. Klingt nach heiterer Unterhaltung.
Stimmt. Es ist meine erste Filmkomödie, ich bin sehr gespannt, wie das funktioniert. Ist ja was anderes wie am Theater. Komödien sind schwierig herzustellen. Die Basis muss sehr gut geprobt sein, damit’s dann auch wirklich abheben kann. Spannend finde ich auch den Mutter-Tochter-Konflikt.
Haben Sie Respekt vor dem Komödienfach?
Eher eine große Neugierde. Respekt kann schnell zum Hindernis werden. Lieber gleich in die Vollen gehen. Scheitern inklusive.
Machen Sie das immer so: in die Vollen gehen?
Hoffentlich. Aber ich weiß nicht, was andere dazu sagen würden.
Sie sagen, Sie finden den Mutter-Tochter-Konflikt spannend. Kennen Sie den auch aus eigener Erfahrung?
Oh ja! Es gibt ja oft zwischen Müttern und Töchtern eine symbiotische Beziehung. Da braucht es lange, bis man sich voneinander löst. Es ist ein anstrengender und schmerzhafter Prozess, bis die Mutter weiß: "Ich bin nicht mein Kind", und die Tochter erkennt: "Die Konflikte meiner Mutter sind nicht meine". Und am Ende des Tages denkt man trotzdem: Mama weiß es am besten.
Wie würden Sie die Beziehung zu Ihrer Mutter beschreiben?
Sie ist das wunderbarste Wesen, das ich kenne. Ich habe großen Respekt davor, wie sie ihre vier Kinder ins Leben gestellt hat. Dazwischen gab es viel Streiten, viele Auseinandersetzungen.
Was mussten Sie erstreiten?
Alles und nichts. Emanzipieren halt.
War Ihr Weg zur Schauspielerin auch eine Art Befreiung?
Befreiung klingt so groß. Es war für mich auf alle Fälle ein großer Versuch der Selbstbehauptung. Schauspiel war in meiner Familie unbegangenes Terrain. Es war so: Man stellt mal eine Behauptung auf und will dann alles dafür tun, dass diese Behauptung stehen bleibt. Sonst wäre das ein Eingeständnis des eigenen Versagens.
Wie kamen Sie zu dieser Behauptung?
Indem ich einfach gesagt habe, ich will Schauspielerin werden. Ich probier das mal und schaue, was passiert. Man hat eben eine Vorstellung von sich und muss das überprüfen, weil es einen sonst verrückt macht.
Mittlerweile spielen Sie seit fünf Jahren am Burgtheater. Wie wird dort derzeit geprobt?
Auch mit Coronatests. Jede Produktion ist ein eigenes Team, sogar mit eigenen Toiletten. Die Produktionsstarts sind verschoben, damit man einander nicht am Gang begegnet. Wer wegfährt, muss bei der Rückkehr einen Test machen. Man tut viel, um ein Sicherheitsgefühl zu geben.
Wie funktioniert das Proben selbst?
Es gibt keinerlei Kontaktbeschränkungen, weil wir ein gemeinsamer Coronapool sind und uns alle testen haben lassen. Wir dürfen uns also anfassen und anspucken.
Sie spielen im Herbst im Burgtheater in dem Stück "Das Himmelszelt" von Lucy Kirkwood die Mörderin Sally Poppy. Ist es das, was man sich als Schauspielerin immer wünscht, eine Mörderin zu spielen?
Nein. Ich will einfach jemanden spielen, der nicht ich ist. Und Probleme haben, die mir fremd sind. Meine Empathie triggern.