Literaturnobelpreis: Bei der ersten Doppelvergabe sind Frauen favorisiert
Nach internen Querelen ehrt die Schwedische Akademie am Donnerstag zwei Autoren.
Es ist eine Situation, die es in der langen Geschichte der Nobelpreise noch nie gab: Am 10. Oktober werden gleich zwei Literaturnobelpreisträger verkündet, nachdem die Schwedische Akademie die Vergabe 2018 nach internen Querelen ausgesetzt hatte. Mit diesem Schritt versucht das aus Schriftstellern, Historikern, Literaturwissenschaftlern und Sprachforschern bestehende Gremium endgültig einen Schlussstrich unter die Skandale der vergangenen zwei Jahre zu setzen.
Im Zuge der "#MeToo"-Bewegung waren im November 2017 Vergewaltigungsvorwürfe gegen Jean-Claude Arnault, den Ehemann von Akademie-Mitglied Katarina Frostenson, publik geworden. Zudem war der Franzose Leiter eines Kulturvereins, der mit Akademie-Geldern finanziert wurde. Pikant: Seine Frau hatte über Mittel für ihren Mann mitentschieden. Zudem soll der mittlerweile vor Gericht stehende Arnault die Namen von Nobelpreisträgern vorab ausgeplaudert haben.
Aus Protest gegen den Beschluss, Frostenson nicht auszuschließen, traten in den Folgemonaten etliche Mitglieder empört zurück. Die im Jahr 1786 gegründete Akademie drohte unwürdig zu zerbrechen. Im Mai 2018 gab das Jury-Gremium bekannt, die Vergabe des Literaturnobelpreises auszusetzen und im Gegenzug 2019 zwei Preise zu vergeben.
Der Mann, dem die schwierige Aufgabe obliegt, die Akademie wieder in ruhigere Fahrwasser zu dirigieren, heißt Mats Malm. Der schwedische Literaturwissenschafter ist seit 26. April ihr neuer Leiter. In dieser Funktion wird der 55-Jährige am Donnerstag um 13 Uhr in Stockholm auch die beiden Nachfolger von Kazuo Ishiguro als neue Literaturnobelpreisträger bekanntgeben.
Außenseiterchance für Handke?
Die Chance, dass Malm dann zumindest ein Frauenname über die Lippen geht, ist extrem hoch. Bei den Wettanbietern werden derzeit nämlich primär Frauen favorisiert. An der Spitze: die kanadische Dichterin Anne Carson sowie die australische Bestsellerautorin Margaret Atwood. Weiters genannt: die aus Guadeloupe stammende Poetin Maryse Condé, die Chinesin Can Xue, die Russin Ljudmila Ulizkaja sowie Olga Tokarczuk aus Polen. Zum Favoritenkreis zählen aber auch einige männliche Autoren. Besonders der "ewige Favorit" Haruki Murakami sowie der Kenianer Ngugi wa Thiong’o dürfen sich gute Chancen ausrechnen, ebenso der Ungar Péter Nádas. Hingegen nur als Außenseiter gehandelt werden derzeit die Bestseller-Literaten Jon Fosse, Javier Marias und Milan Kundera. Selbiges gilt auch für den Kärntner Schriftsteller Peter Handke, dessen Name als potenzieller Preisträger in den vergangenen Jahren öfters fiel.
Das sind die Top-Favoriten:
Haruki Murakami
Er gilt als beliebtester literarischer Export Japans: Haruki Murakami, der mit „Kafka am Strand“ oder „Naokos Lächeln“ dem Publikum eine beliebte Mischung aus surrealem Fernost, Popkultur und westlichen Erzähltechniken liefert. Der 70-Jährige besitzt gute Chancen, als dritter Japaner den Literaturnobelpreis zu gewinnen.
Margaret Atwood
Am 18. November feiert die Kanadierin ihren 80. Geburtstag – vielleicht bereits als Nobelpreisträgerin. Einer großen Öffentlichkeit bekannt wurde Atwood 1985 mit ihrer Dystopie „Der Report der Magd“, die auch als erfolgreiche TV-Serie adaptiert wurde. Kürzlich erschien mit „Die Zeuginnen“ eine langerwartete Fortsetzung.
Ngugi wa Thiong’o
Der 81-jährige Kenianer ist einer der bekanntesten Autoren Afrikas. Nach Haft und Verfolgung in seiner Heimat siedelte Ngugi 1992 in die USA, wo er Literaturwissenschaft unterrichtet. Seine Werke wurden in 30 Sprachen übersetzt, auf Deutsch sind unter anderem seine Romane „Verbrannte Blüten“ und „Herr der Krähen“ erhältlich.
Anne Carson
Hierzulande ist Anne Carson noch ein Geheimtipp, in der englischsprachigen Hemisphäre zählt die 69-jährige Kanadierin aber zu den bedeutendsten Dichterinnen der Gegenwart. Die Parallelität von Antike und Gegenwart durchzieht das umfangreiche Werk der Altphilologin, das nur vereinzelt in deutscher Übersetzung erschienen ist.