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"Wir schreiben immer über uns selbst"

Von Peter Grubmüller, 22. November 2019, 17:30 Uhr
"Wir schreiben immer über uns selbst"
Er wäre gerne Profi-Fußballer geworden, aber seine Knie spielten nicht mit. Seit Jahren hat sich Jo Nesbø aufs Sportklettern verlegt. Bild: APA/AFP/DANIEL ROLAND

Jo Nesbø komponiert Musik und Thriller – in "Messer" ist der Norweger in Hochform.

"Seit so vielen Jahren lebe ich nun schon mit Harry an meiner Seite, und jetzt erzähle ich eine Geschichte, in der seine Welt ein einziger Scherbenhaufen ist. Das löste ein Gefühl in mir aus, als würde ich das Haus niederbrennen, an dem ich zwanzig Jahre gebaut habe." Das sagt Jo Nesbø über seinen zwölften Roman, in dem er den alkoholkranken Hauptkommissar Harry Hole wieder einmal in finsterste Abgründe menschlicher Verwahrlosung schickt.

Nachdem ihn seine Frau Rakel des gemeinsamen Hauses verwiesen hat, gibt sich Nesbøs Hauptdarsteller wieder einmal der Jim-Beam-Selbstzerstörung hin. Besoffen sehnt Harry Hole den Tod herbei, als ihn ein alter Widersacher heimsucht: Svein Finne, ein norwegischer Messerstecher perversester Prägung, der sich aufs Vergewaltigen spezialisiert hat. Nach gut 20 Jahren Gefängnis schleicht er wie ein Geist durch Oslo, um Frauen am laufenden Band zu befruchten und sie dann zu nötigen, sein Kind auszutragen. Ein Rudel seinesgleichen: Das ist Finnes Ziel.

Das Messer als Mordwaffe

Als Mordwaffe diesmal das Messer aus der Schreibtischlade zu holen, darauf hat Nesbø der amerikanische Psychologe und ehemalige Militär-Mitarbeiter Dave Grossman gebracht – nicht zu verwechseln mit dem großen israelischen Schriftsteller David Grossman. Nesbø: "Mir ist sein Buch ,On Killing‘ in die Hände gefallen. Er geht dabei der Frage nach, was uns davon abhält, uns gegenseitig umzubringen. Interessant ist, dass während des Zweiten Weltkriegs nur rund zwanzig Prozent der Soldaten wirklich auf den Feind gezielt haben. Als das bekannt wurde, änderte man die Trainingsmethoden, was dazu führte, dass die Quote im Korea-Krieg schon bei fünfzig, im Vietnam-Krieg dann bei neunzig Prozent lag. Am schwierigsten ist es Grossman zufolge, jemanden mit einem Messer umzubringen." Man müsse dem Opfer dabei so nahe kommen, dass man es gut sehen und beinahe riechen könne. Nesbø: "Es bestehe keine Möglichkeit, das Opfer zu entmenschlichen, es ist als Vertreter der gleichen Gattung wie du und ich identifiziert."

In Norwegen war Nesbø ursprünglich nicht als finsteres Gehirn von verwinkelten und sich drehenden Thrillern bekannt geworden. Sondern als Musiker. Er hätte Profi-Fußballer werden wollen, wären nicht seine Knie nach zwei Kreuzbandrissen schon früh lädiert gewesen. Heute, mit 59, sucht er die waghalsigsten Sportkletter-Touren auf der ganzen Welt.

Auf Platz eins

Zusammen mit seinem Bruder Knut Nesbø – der es als Kicker tatsächlich in die erste norwegische Liga geschafft hatte, danach als Sportreporter arbeitete und 2013 an Krebs starb – gründete er 1992 die Band "Di Derre" (auf Deutsch: "die da"). 1994 landete ihr Album "Jenter & Sånn" auf Platz eins der norwegischen Charts. "Aber man muss sich vorstellen, wie das alles begonnen hat", sagt Nesbø: "Wir spielten jede Woche in der gleichen Bar in Oslo. Und wir waren so schlecht, dass wir uns wöchentlich umbenannt haben, weil wir fürchteten, dass die Leute nicht mehr kommen."

Wie sich die leichte, fidele Unterhaltungsmusik mit seinen Thrillern, die seit 1997 in 47 Sprachen übersetzt und rund 30 Millionen Mal verkauft wurden, vereinbaren lasse? Nesbø: "Ich bin davon überzeugt, dass wir am Ende immer über uns selbst schreiben. Wahrscheinlich begegne ich meinen eigenen Schwächen, wenn ich über Harry und seine moralischen Defizite etwas zu Papier bringe."

In "Durst", dem Vorgänger von "Messer", wacht Harry auf und fühlt sich glücklich. Er ist verheiratet und alle Menschen, die ihm nahestehen, sind in Sicherheit. Nesbø: "Trotzdem beschleicht ihn das Gefühl, auf dünnem Eis unterwegs zu sein – und dieses Gefühl kenne ich nur zu gut."

Jo Nesbø: "Messer – ein Fall für Harry Hole", Kriminalroman, Ullstein, 576 Seiten, 24,70 Euro

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Autor
Peter Grubmüller
Ressortleiter Kultur
Peter Grubmüller
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