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Mit dem Piratenzirkus gegen den Strom

Von Klaus Buttinger   07.September 2019

Privatermittler Groll verlässt seinen Heurigen, wo der "Ausschuss zur Lösung sämtlicher Welträtsel" in Permanenz tagt, und fährt mit Josef, seinem Rollstuhl, wieder los. Seine Recherche führt ihn nach Rumänien und Ungarn, von wo erschreckende Kunde kommt. Die Zustände in den Flüchtlingsquartieren, den Kinder- und Behindertenheimen haben sich dort solchermaßen verschlimmert, dass die Menschen zur Selbsthilfe greifen, fliehen und sich auf gut Glück durchschlagen. Die Regierungen versuchen den sozialen Flächenbrand totzuschweigen und schicken Armee, Polizei und Bürgerwehren aus.

Donaukenner Groll findet sich bald unter den Aufständischen wieder. Er stößt auf eine als Zirkus auftretende Gruppe behinderter Menschen und hilft ihnen bei ihrer Flucht stromaufwärts. Man versteckt sich auf einer Fähre, einem Kohlefrachter und bringt schließlich eine Motorjacht auf, gesteuert von pensionierten Werftarbeitern aus Korneuburg bei Wien. Es wächst eine Bande zusammen, die sich in lauen Nächten auch in gesellschaftstheoretischen Betrachtungen ergeht. Cornel Vanator, der Zirkusdirektor, sagt beispielsweise: "Letztlich sind die Geschichten des Elends alle austauschbar. Nicht austauschbar hingegen sind jene Geschichten, die von den Kämpfen gegen das Vorgegebene handeln. Das Erleiden des Schicksals ist der Tod im Leben, das Aufbegehren aber ist das Leben im Tod."

Wie schnell im "menschlichen Streichelzoo" wieder zur Treibjagd geblasen wird – von asozialen Heimatbewegten –, erfährt die Truppe im "Stieglerhaus" bei Stainz, wo sie auf dem Weg in ein afrikanisches Paradies Unterschlupf findet.

Erwin Riess kommt in dem detailreichen Befund des Politischen – eingewebt in eine zuweilen durchaus unterhaltsame Erzählung – zum Schluss: Europa sei dabei sich zu häuten und die rissig gewordene zivilisatorische Haut abzustreifen. Aus jeder Ritze dringe das Gift des Rassismus und der Bösartigkeit: ein Einfallstor für noch Schlimmeres.

Das mag einseitig klingen, aber "unter dem Geraune und Gepiepse der Differenzierer und Schönredner ist die extreme Rechte in Ost- und Mitteleuropa so stark geworden", diagnostiziert eine Romanfigur. "Deshalb haben die noch nicht Korrumpierten jedes Recht auf Einseitigkeit, Naivität und Himmelsstürmerei."

Lesung: 3. 10., 19 Uhr, Melicharstr. 8, Linz

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20. April 2024