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"Ich fühle das Leid von Millionen Menschen mit"

21.März 2020

Sie ist die Autorin des wohl berühmtesten Tagebuchs der Welt: Anne Frank. Das jüdische Mädchen aus Frankfurt am Main tauchte mit seiner Familie im Juli 1942 – unter anderem mithilfe der aus Wien stammenden Miep Gies – im Versteck eines Hinterhauses an der Amsterdamer Prinsengracht unter. Sie beschrieb das Leben dort in ihrem Tagebuch. Als der Unterschlupf am 4. August 1944 aufgespürt wurde, wurden alle dort Untergetauchten verhaftet. Anne starb vor 75 Jahren, im Februar oder März 1945, im Alter von nur 15 Jahren im Konzentrationslager Bergen-Belsen vermutlich an Fleckfieber. Das genaue Datum ist nicht bekannt.

Am 12. Juni 1942 schrieb Anne ihren ersten Eintrag in das Tagebuch, das sie zum 13. Geburtstag von ihren Eltern geschenkt bekommen hatte: "Ich werde, hoffe ich, dir alles anvertrauen können, wie ich es noch bei niemandem gekonnt habe, und ich hoffe, du wirst mir eine große Stütze sein."

Was das Mädchen in der Folge ihrem Tagebuch anvertraute, gehört zu den erschütterndsten Berichten über die Judenverfolgung in der NS-Zeit. Adressat ist eine imaginäre Freundin: "Liebe Kitty! Zwischen Sonntagmorgen und jetzt scheinen Jahre zu liegen. Es ist so viel geschehen, als hätte sich plötzlich die Welt umgedreht", schrieb Anne am 8. Juli 1942. Der letzte Eintrag stammt vom 1. August 1944. Drei Tage später flog das Versteck der Familie auf.

Anne Frank muss man sich als sehr lebenslustiges, gar nicht braves Mädchen vorstellen. In ihrem Tagebuch stellte sie alles und jeden infrage, beobachtete und beschrieb die Menschen in ihrer Umgebung genau, mit Witz und scharfer Zunge. Sie schrieb über ihre Träume, ihre Sehnsüchte, über die Liebe. Zugleich dachte sie über ihren Charakter nach: Da gebe es ihre "ausgelassene Fröhlichkeit" und ihre "Spöttereien über alles", aber auch eine eher verborgene Seite, "die viel schöner, reiner und tiefer ist".

Zunächst hatte Anne gar keine großartigen schriftstellerischen Ambitionen: "Es ist für jemanden wie mich ein eigenartiges Gefühl, Tagebuch zu schreiben. Nicht nur, dass ich noch nie geschrieben habe, sondern ich denke auch, dass sich später keiner, weder ich noch ein anderer, für die Herzensergüsse eines 13-jährigen Schulmädchens interessieren wird."

Ideale und Fantasien

Doch im Frühjahr 1944 hörte sie im Radio aus London eine Rede des niederländischen Erziehungsministers. Er riet dazu, nach dem Krieg alles über die schwere Zeit des niederländischen Volkes während der deutschen Besatzung zu publizieren, etwa Tagebucheinträge. In der Folge, so Historiker, entschied sich Anne, nach dem Krieg ein Buch zu veröffentlichen. Am 5. April 1944 schrieb sie: "… werde ich jemals etwas Großes schreiben können, werde ich jemals Journalistin und Schriftstellerin werden? Ich hoffe es, ich hoffe es so sehr! Mit Schreiben kann ich alles ausdrücken, meine Gedanken, meine Ideale und meine Fantasien."

Die Nationalsozialisten deportierten Anne Frank und ihre Familie 1944 zunächst nach Auschwitz. Dort starb ihre Mutter. Anne und ihre Schwester Margot kamen später nach Bergen-Belsen – auch Margot starb dort.

Als einziges Familienmitglied überlebte Annes Vater Otto den NS-Terror. Er veröffentlichte nach längerer Überlegung 1947 das Tagebuch seiner Tochter. In einem ihrer letzten Einträge vom 15. Juli 1944 beschreibt Anne eine Art Todesahnung: "Ich sehe, wie die Welt langsam immer mehr in eine Wüste verwandelt wird, ich höre den anrollenden Donner immer lauter, der auch uns töten wird, ich fühle das Leid von Millionen Menschen mit." Doch trotzig fährt sie fort: "Und doch, wenn ich zum Himmel schaue, denke ich, dass sich alles wieder zum Guten wenden wird, dass auch diese Härte aufhören wird, dass wieder Ruhe und Frieden in die Weltordnung kommen werden."

Anne Frank selbst konnte daran zwar nicht mehr aktiv mitarbeiten. Doch ihr Tagebuch wurde zu einem Werk der Weltliteratur. Es wurde in über 70 Sprachen übersetzt und mehr als 30 Millionen Mal verkauft.

Ihr Versteck ist heute ein Museum. 2019 kamen 1,3 Millionen Menschen in das Haus in Amsterdam, in dem einst ein junges Mädchen damit begann, Tagebuch zu schreiben.

Bücher

  • Anne Frank: „Tagebuch“, Verlag Fischer, 320 Seiten, 13,40 Euro
  • K. Mahrenholtz, D. Parisi: „Allerhöchste Eisenbahn“, Duden Verlag, 160 Seiten, 15,50 Euro
  • Manfred Rebhandl: „Sommer ohne Horst“, Haymon Verlag, 232 Seiten, 12,95 Euro
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28. März 2024