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Die Geschichte einer Sehnsucht

02. Jänner 2021, 00:04 Uhr
Die Geschichte einer Sehnsucht
Beatrix Kramlovsky Bild: Klaus

Die in Oberösterreich geborene Beatrix Kramlovsky erzählt in ihrem neuen Roman von der Fluchtgeschichte eines österreichischen Kriegsgefangenen aus Sibirien.

Der Erste Weltkrieg ist fast vorbei, als dieser Kriegsroman seinen Anfang nimmt. In Chabarowsk, nahe der chinesisch-sibirischen Grenze, wartet eine Gruppe österreichischer Gefangener auf eine Chance, aus dem Lager auszubrechen und sich Richtung Westen aufzumachen. Beatrix Kramlovsky hat sich mit leichter belletristischer Feder eines schweren historischen Typoskripts angenommen. "Fanny oder Das weiße Land" heißt der Roman über eine lange Reise, die ihr Gelingen auch der Kunst verdankt.

Aufzeichnungen eines Offiziers

Sie habe, schreibt die oberösterreichische Autorin, die nun in Niederösterreich lebt, in einer Notiz am Ende, bereits vor vielen Jahren die Aufzeichnungen eines k. u. k. Berufsoffiziers erhalten, der seine Erinnerungen an die Kriegsgefangenschaft im Ersten Weltkrieg und seine Rückreise aus Sibirien für seine Familie festgehalten hatte. Sie bediente sich daran und nahm sich "jede Freiheit des Erfinders".

Entstanden ist so ein erstaunliches Stück Lektüre: im Tonfall leicht verdaulich mit einem Hang zum Melodram, in der Chronik von Geografie und Geschichte akkurat, im Inhalt ebenso unbarmherzig wie unerschütterlich hoffnungsfroh. Das Schicksal der Kriegsgefangenen, mit denen in einem von Krieg, Hunger und Revolution verwüsteten Russland niemand etwas anzufangen wusste, die schier unendlich weit weg von zu Hause gestrandet und – wenn auch nicht vergessen – so doch außerhalb der Reichweite jeder helfenden Hand sich selbst überlassen waren, ist ein wenig beleuchteter Nebenschauplatz der sich überschlagenden Ereignisse zum Ende des Krieges. Dass das Kaiserreich zerbrochen ist, dass sich die russische Revolution rund um sie herum in kürzester Zeit gegen sich selbst wendet, dass globale Einflusssphären neu geordnet werden – das alles interessiert die Protagonisten nicht halb so viel wie die Gemütsverfassung, die Briefzeilen ihrer Frauen und Kinder. Die nächste Mahlzeit, das Überleben im nächsten Zwischenlager.

"Fanny" heißt der Roman – wie die Geliebte der Hauptfigur – und trägt damit seine zutiefst ahistorische und apolitische Gesinnung im Titel: Karl, Berufsoffizier und passionierter Hobbykünstler, wird von seiner großen Sehnsucht nach Frau und Kind wie von einer sicheren Richtschnur nach Hause getrieben – auch wenn es Jahre dauert, schwere Rückschläge und Neubeginne, ganze eigene Lebensphasen den Weg säumen. Das ist ein bisschen kitschig und taucht das historische Panorama in ein leicht süßliches Licht. Treue und Liebe, die tiefen Männerfreundschaften, die Hilfsbereitschaft hier und dort, der Respekt, der Karl für seine Kunst entgegenschlägt, und der nicht nur ihm, sondern auch seinen Freunden wieder und wieder das Leben rettet, verorten den historisch informierten Text fest im Genre der Belletristik – machen zugleich erträglich, was an echten Details kaum zu fassen ist.

Sieben Jahre lang war Karl schließlich von daheim weg, fast die ganze Kindheit seines Sohnes. Wie Tausende andere auch. Als er endlich heimkehrt, ist der Krieg seit einigen Jahren vorbei – und der nächste graut bereits am Horizont. Dass seine Erlebnisse weiterwirken, dass da Traumata bleiben und Verwundungen nicht verheilen, dass ein Happy End nicht heißt, dass alles jemals wieder gut sein kann, deutet die Autorin in einem Epilog nur lakonisch an. In der Logik des Liebesromans aber geht die Rechnung auf. Karl hat seine Fanny wieder. (scholl)

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