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Das Schlimmste, das du getan hast

Von Maria Scholl, 27. Februar 2021, 00:04 Uhr
Das Schlimmste, das du getan hast
Norbert Gstrein Bild: Gustav Eckart

Als Lebensbeichte eines Filmstars erzählt Norbert Gstreins neuer Roman von Schuld und Machismo, von Prominenz und Fremdheit, von den USA und Tirol.

Zu den lästigen Alterserscheinungen des Prominentseins zählt das ungefragte Auftauchen von Biografen: Ein Leben als Story, mit Plot Twists, roten Fäden und psychologischen Mustern will erzählt sein. So passiert es auch jenem bekannten Schauspieler, den Norbert Gstrein in seinem neuen Roman "Der zweite Jakob" zum Protagonisten seiner Lebensbeichte macht. Mit dem Biografen kommt es letztlich zu einer Prügelszene. Aber auch die eigenen Erinnerungen leiten in die Untiefe.

Gstrein, für sein jüngstes Buch "Als ich jung war" 2019 mit dem Österreichischen Buchpreis ausgezeichnet, ist ein Advokat des genauen Hinsehens und darin erst recht nicht deutlichen Erkennens. Klare Konturen für Fragen der Moral, der Identität oder der Ehrlichkeit interessieren ihn nicht. Und so bleibt dieser "Zweite Jakob", benannt nach seinem eigenbrötlerischen Onkel und trotz seiner Erfolge gefühlt eben immer nur der zweite, auch nach 445 Seiten seiner Lebenserinnerungen ein fremder Autobiograf. Einer, dessen Promi-Lack zwar schnell Risse bekommt, der dennoch wenig Sympathien gewinnt: Zu schnell entpuppen sich scheinbare Selbstzweifel als dünn getarnte Selbstgefälligkeit.

Er ist der große Fisch im kleinen Teich: ein Schauspieler, der in US-Filmen mitgewirkt, seinen Lebensmittelpunkt aber in Innsbruck belassen hat, eine lokale Größe, dessen Abschätzigkeit für das Lokale zu seiner Marke gehört. Die kaum erwachsene Tochter, sein Ein und Alles und in ihrer überbordenden Verletzlichkeit zugleich eine andauernde Quelle von Sorge, zwingt ihn wieder und wieder, mit sich ins Gericht zu gehen. Mal unfreiwillig, durch ihre Neigung zur Selbstverletzung, mal ganz direkt: Rund um die Entstehung seiner verhassten Biografie fragt sie ihn nach dem Schlimmsten, das er je getan hat.

Die Erinnerungen an einen Filmdreh in den USA, bei dem Gewalt und Ausbeutung von Frauen an der US-mexikanischen Grenze in verschiedener Weise über die Ränder der Leinwand ins echte Leben getreten sind, suchen Jakob nach Jahrzehnten heim und bilden als Zoom auf wenige Wochen den zentralen Teil des Romans. Immer wieder – auch damals in Texas – hat Jakob Frauenmörder gespielt, immer wieder sieht er sich genötigt, dem Echo dieser Rollen zu entfliehen und den Bildern, die andere von ihm haben, ein Schnippchen zu schlagen. Meist, indem er sie – trotzig – zu erfüllen scheint.

Das Spiel mit Selbst- und Fremdwahrnehmung, mit Introspektion und Illusion, mit Persönlichkeit und Persona ist umso attraktiver, je mehr Jakob darin die Kontrolle verliert. Die Kreise, die Jakob um sich selbst zieht, werden zunehmend enger, die Ehrungen, die sich zu seinem runden Geburtstag anbahnen, versprechen, zur Groteske zu werden.

Abseits des geschickt konstruierten Spiegelkabinetts legt Gstrein, selbst ein in Hamburg lebender Tiroler, in "Der zweite Jakob" aber auch einige Themen der Zeit auf den Verhandlungstisch – allerdings ohne dabei über Allgemeinplätze hinauszukommen: Machismo in unterschiedlichsten Ausprägungen, sei es von mexikanischen Bandenbossen, von Schürzenjägern in der Midlife-Crisis oder von wohlmeinenden Vätern. Das Gezänke mit dem politischen Mainstream und dem Antiamerikanismus der Bush-Jahre, der zum Ende der Trump-Episode spannende Rücklichter wirft. Und nicht zuletzt: das traditionsreiche Nestbeschmutzen, diesmal in den Tiroler Bergen. Dass der Roman dort ausgerechnet auf einer Seilbahn endet, könnte man fast für einen stummen, augenzwinkernden Seitenhieb im Corona-Jahr halten.

Schweigen, Widerstand, Täuschung

Es gibt Bücher, die einen von der ersten Seite an aufwühlen, sodass man sie am liebsten weglegen möchte. Doch tatsächlich ist das keine Option – der Sog aus Spannung und Neugierde wirkt wie eine Droge. „Die Angst der Schweigenden“ ist ein derart süchtig machendes Buch. Der Stoff, nach dem es einem verlangt, beginnt mit Inna und Igor. Sie treffen einander scheinbar zufällig in einer Fabrikshalle. Doch nichts ist Zufall. Jeder verfolgt seinen Plan, in dessen Zentrum zwei verschwundene sechsjährige Mädchen stehen. 30 Jahre liegen zwischen den beiden Ereignissen, um die die deutsche Autorin Nienke Jos ein Karussell aus Schweigen, Widerstand und Täuschung, aus ständig wechselnden Perspektiven in Gegenwart und Vergangenheit in Gang setzt. Wer ist Täter, wer ist Opfer? Eine eindeutige Zuordnung fällt mit fortlaufender Dauer immer schwerer. „Die Angst der Schweigenden“ ist ein Psychothriller, der dem Nervenkostüm einiges abverlangt und einem kein Durchatmen gönnt. Wer die Spannung aushält, wird am Ende sagen – wow!  (rofi)

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