Der tödliche Eros der Macht
Olga Flors neuer Roman „Die Königin ist tot“ orientiert sich an Shakespeares „Macbeth“.
Die Romane der in Graz lebenden Autorin Olga Flor gehören zur etwas anderen Art von Gegenwartsprosa. Olga Flor folgt nicht dem ästhetischen Mainstream des österreichischen Neorealismus, sondern hat in „Talschluss“ (2005) und „Kollateralschaden“ (2008) eine eigenwillige, faszinierende Schreibweise entwickelt, die wir auch in ihrem neuen Roman „Die Königin ist tot“ wiederfinden.
Nicht nur die Figurenkonstellation und die Handlungsstruktur hat Flor bei Shakespeare und dessen Königsdrama „Macbeth“ entlehnt, auch das Menschenbild ist ähnlich düster und pessimistisch. Es geht um irrationalen Ehrgeiz, egozentrische Leidenschaft, tödliche Skrupellosigkeit und den bedingungslosen Willen zur Macht.
Reich der Medienwirtschaft
Die „Könige“ von heute siedelt Olga Flor in den USA an, ihr Reich ist die Medienwirtschaft. Haupthandlungsort ist der Lake Point Tower in Chicago, wo Medienkönig Basil Duncan eine Luxuswohnung im 68. Stock besitzt. Bis der Lift in luftiger Höhe mit Seeblick ankommt, ist genügend Zeit für einen flotten Oralverkehr mit dem Liftgirl. Das freudige Erlebnis lässt Duncan nicht unberührt. Der Blowjob taugt als Mittel der Eheanbahnung, und so gerät das Liftgirl an der Seite eines deutlich älteren Gatten in die High Society.
Sie muss allerdings die Erfahrung machen, dass dort nicht alles Gold ist, was – von unten betrachtet – so märchenhaft glänzt. Duncan verliert nach einigen Jahren das Interesse an seiner Frau und überreicht sie – vertraglich gut abgesichert – dem deutlich jüngeren Alexander, einem seiner engsten und tüchtigsten Mitarbeiter.
Aber der alte Duncan verliert mit den Jahren auch seinen Instinkt für richtige Personal- und Geschäftsentscheidungen. Ausgerechnet sein Kronvasall Alexander sieht die Zeit für einen Wechsel an der Konzernspitze gekommen: König Alexander statt König Duncan. Der Weg dahin ist mit Blut getränkt und die ehemalige Mrs. Duncan spielt dabei eine ähnlich schlimme Rolle wie Lady Macbeth.
Es ist eine schräge Geschichte, die Olga Flor da erzählt, aber doch mit beklemmend realistischem Hintergrund. „Die Königin ist tot“ besteht nicht nur aus einer bösen Liebesgeschichte, die Autorin gibt auch ernüchternde Einblicke in unappetitliche Mechanismen der Medienwirtschaft. Sie stellt zwar keine vordergründigen Parallelen zu realen Personen her, aber wer angesichts des alten Duncan an eine Problemfigur wie Berlusconi denkt, liegt sicher nicht falsch. Obwohl die Protagonistin auch als Erzählerin fungiert, bleibt uns ihre Psyche rätselhaft.
Spiel nach männlichen Regeln
Olga Flor ist eine Meisterin des Doppeldeutigen, Vagen und Widersprüchlichen. „Ich traue mir schon lange nicht mehr“, sagt die Königin einmal, und wir stimmen ihr zu. Das tödliche Spiel der Könige folgt männlichen Spielregeln. Die Frau leistet keinen Widerstand, sondern versucht erfolgreich mitzuspielen. Aber die Rolle der bösen Königin ist nicht die der Siegerin, weder bei William Shakespeare noch bei Olga Flor.
OÖN-Bewertung: sechs von sechs Sterne
Die Autorin
Olga Flor, 1968 in Wien geboren, studierte Physik und arbeitete im Multimedia-Bereich. Ihr erster Roman „Erlkönig“ erschien 2002. Ihr Monolog „Fleischgerichte“ wurde 2004 im Schauspielhaus Graz uraufgeführt, der Roman „Talschluss“ erschien 2005. Elias-Canetti-Stipendium 2011/2012. Outstanding Artist Award 2012. Flor lebt in Graz.