Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Wenn von einem Charmeur nur noch eine Hülle bleibt

Von Lukas Luger, 26. August 2021, 00:04 Uhr
Wenn von einem Charmeur nur noch eine Hülle bleibt
Vater-Tochter-Gespann: Olivia Colman und Anthony Hopkins in Florian Zellers Theaterstück-Verfilmung Bild: Constantin

Anthony Hopkins brilliert im Demenz-Drama "The Father".

Einen herzzerreißenderen, gleichzeitig furchterregenderen Film als "The Father" werden Sie lange Zeit nicht im Kino sehen. Versprochen. Wahrscheinlich noch nie zuvor war ein Hauptrollen-Oscar derart verdient wie jener für Anthony Hopkins als zänkischer Demenzkranker, der in der Wohnung seiner so fürsorglichen wie hoffnungslos erschöpften Tochter Anne (Olivia Colman) lebt. Basierend auf seinem eigenen, mehrfach ausgezeichneten Theaterstück "Le Père" inszeniert der französische Regisseur Florian Zeller das geistige Zerbröseln eines Mannes als subtiles Kammerspiel, das mit minimalen Mitteln maximale Gefühlseffekte erzählt.

Der 83-jährige Hopkins ist eine Naturgewalt als pensionierter Ingenieur, der von seiner Krankheit immer mehr in Haft genommen wird. Er ist Charmeur und Ungustl, unverhofft zärtlich und tief verletzend, verwirrt und sich seiner Situation bewusst – und all dies oftmals innerhalb einer einzigen Szene. In den Händen eines nur etwas weniger talentierten Schauspielers hätte das in einem veritablen Desaster enden können. Doch Hopkins widersteht der großen Geste, den vorhersehbaren Ausbrüchen. Seine Kunst steckt in der Stille dazwischen.

Was "The Father" von ähnlich gelagerten Dramen über das Älterwerden abhebt, ist die Innenperspektive. Auch ohne subjektive Kamera-Einstellungen, sprich ohne Bilder direkt aus Anthonys Sicht, versetzt der Film mittels geschickt eingesetzter Zeitschleifen und -sprüngen den Zuschauer gekonnt in Anthonys Kopf.

Ein Horrorfilm ohne Drehbuch

Es ist eine Art psychedelischer Horrorfilm ohne erkennbares Drehbuch, der sich dort abspielt. Von einem Moment zum anderen scheinen seine Tochter und ihr Ehemann ihn bewusst in den Wahnsinn zu treiben, dann wieder ist seine Wohnung plötzlich gänzlich neu möbliert, sogar Anne sieht auf einmal anders aus. Wir sehen alles, was Anthony sieht. Es ist zum Fürchten. Doch wir beginnen zu verstehen, er tut dies aufgrund seiner Krankheit nicht.

Gelegentlich bricht Anthonys früheres Ich durch, im Guten wie im Schlechten. Er legt eine Stepptanz-Einlage für die neue Pflegerin hin oder verkündet augenzwinkernd: "Meine Tochter hat die Tendenz, sich zu wiederholen. Das ist eine Frage des Alters." Dann wieder strahlt er eine Bedrohlichkeit aus, die an eine frühere Rolle Hopkins’ erinnert. Säße Hannibal Lecter im Altersheim, könnte er psychologisch kaum grausamer sein als Anthony, der Anne unbarmherzig erinnert, dass sie vieles, nur keine Lieblingstochter ist.

"The Father" ist ohne Zweifel Hopkins’ Show, doch ohne Colman als Sparringpartnerin würde der 97-Minüter viel an emotionaler Wucht einbüßen. Die 47-Jährige vermittelt die aufgestaute Wut, die Frustration und die Zerrissenheit zwischen Vaterliebe und dem berechtigten Wunsch, ein eigenes Leben zu leben – Anne möchte mit ihrem Partner nach Paris umsiedeln –, so nuanciert wie mühelos.

Bei der finalen Szene drückt es den härtesten Zynikern das Nasse in die Augen. Denn "The Father" zeigt, was es heißt, um jemanden zu trauern, der noch am Leben ist.

"The Father": Großbritannien/Frankreich 2020, 97 Minuten, Regie: Florian Zeller

OÖN Bewertung:

Mehr zum Thema
Demenz: Einrichtungen in allen Bezirken gefordert
OÖNplus Gesundheit

Demenz: Aggression drückt Verzweiflung aus

Angehörige sollten sich frühzeitig informieren.

mehr aus OÖN-Filmkritik

"Dream Scenario": Nicolas Cage als ein Jedermann in den Träumen der Menschen

„Io Capitano“: Leichen, Folter und Brutalität pflastern den Weg dieser sanften Kinder

"Evil does not exist": Ein lyrischer Konflikt zwischen Stadt und Land

"Kleine schmutzige Briefe": Wenn Worte wie „du räudige, tittenlose Rübe“ skandalös gutes Schauspiel anzetteln

Autor
Lukas Luger
Redakteur Kultur
Lukas Luger
Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

0  Kommentare
0  Kommentare
Die Kommentarfunktion steht von 22 bis 6 Uhr nicht zur Verfügung.
Zu diesem Thema wurden noch keine Kommentare geschrieben.
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
Aktuelle Meldungen