"The French Dispatch": Ein cineastischer Liebesbrief an den seriösen Printjournalismus
Wes Anderson schickt Hollywoodstars auf Recherche und legt einen visuell bestechenden Kinofilm vor.
Gute Geschichten erzählen, die die Gesellschaft voranbringen: Dieses Ziel verbindet seriöse Medien wie ebensolche Filme. Seelenverwandtschaft gibt es zudem, weil hinter klaren starken Botschaften beiderorts meist arbeitsteilige Wunder stecken. Der Empfänger soll davon freilich nie etwas mitbekommen.
Nun gibt es mit Wes Anderson einen Kultregisseur, der seinen Kinofilm "The French Dispatch" als Liebesbrief an ernsthaften Journalismus versteht. Ausgerechnet der besagten hintergründigen Arbeits- und Geisteshaltung, die beide Formen öffentlichen Erzählens prägt, setzt er ein Denkmal. Und was für eines. Auf fast extraordinär hohem Niveau spielt der Detailversessene ("Grand Budapest Hotel") mit allem, was seine Filmkunst zu bieten hat – von Kulisse über Dekor bis Bildsprache. Er bedient sich am Theater, an Animationskunst wie Schwarz-Weiß-Film, um von "The French Dispatch" zu erzählen.
Einer Zeitschrift, die US-Exiljournalisten in den 1950ern in einer französischen Kleinstadt veröffentlichen. Gesicht und Seele verleiht ihnen ein hochkarätiges Ensemble von sieben Oscar-Siegern und acht Oscar-Nominierten. Anhand von Leitartikeln und Reportagen, die in Bewegtbild übersetzt werden, wird die Kunst des Recherchierens, Abwiegens, Fragens und Schreibens vermittelt.
Man erlebt ein Stadtporträt, erzählt von Owen Wilson als radelndem Fotografen. Es geht um einen Kunstcoup in der lokalen Nervenheilanstalt mit Lea Seydoux, Benicio del Toro und Tilda Swinton. Man taucht in Studentenrevolten ein – angeführt von Timothee Chalamet und notiert von Frances McDormand. Eine Kulinarik-Reportage führt ins Speisezimmer des Polizeichefs (Mathieu Amalric). Typisch nachrichtliche Themen, die Anderson als beschwingten, beinah tanzenden Episodenfilm erzählt, den der alte Chef zusammenhält: Billy Murray als schützender Leitwolf. Die Leinwand wird zum Guckkasten in entzückend arrangierte Welten unterschiedlich gearteter Charaktere. Kaum ein Bild hat nicht das gewisse Etwas.
Trotz viel visueller Zierde bereitet Anderson durchaus lakonisch harten Wahrheiten den Weg. Ein Film, der leichtfüßig die Tiefe sucht und eine bildschöne Ode auf den Printjournalismus zutage fördert.
The French Dispatch: D/USA 2021, 108 Min., Jetzt im Kino
OÖN Bewertung:
Der Trailer zum Film: