"Hinterland": Das Vaterland und die Seele sind kaputt
Was Österreichs Kino bemerkenswert vielschichtig wachhält, ist die Erinnerung an die Nazis.
Stefan Ruzowitzky leistete mit dem Oscar-Film "Die Fälscher" einen zentralen Beitrag. Weil es ihm gelang, eine Atmosphäre von Unmenschlichkeit und Vernichtung beklemmend zu vermitteln.
In "Hinterland" geht er noch einen Schritt zurück und führt nicht minder intensiv in jene Zeit, die den Boden für Hitler nährte – die Zwischenkriegszeit. Für Gott, Kaiser und Vaterland war der Wiener Polizist Peter Perg (Murathan Muslu) in den Ersten Weltkrieg gezogen. Nach Jahren russischer Kriegsgefangenschaft kehrt er zurück. Der Kaiser ist weg, das Vaterland sieht ihn als Bettler, an Gott (ver-)zweifelt er. Eine zerschundene Seele, die bald in die Jagd auf einen Serienmörder hineingezogen wird, der Heimkehrer bestialisch zugrunde richtet.
Wien wird in diesem Film zum ideal ausgestatteten Spiegel dieser Zeit: dreckig, eng, voll verwirrter Massen. Nichts ist mehr so, wie es war und wie es scheint. Das veranschaulicht eine fast comichafte Kulisse – ein kreativer Streich, den man bei Ruzowitzky so noch nie gesehen hat. Er verbeugt sich tief vor den Klassikern wie "Metropolis" (1927) oder Robert Wienes "Das Cabinet des Dr. Caligari" (1920), ihrem harten, ästhetisch zeitlos verführenden Expressionismus.
Muslu liefert als Perg eine packende Leistung als gramgebeugter, doch aufrechtbleibender Mann. Er komplettiert, was Ruzowitzky abseits weniger Szenen stets elegant gelingt: einen modernen Krimi-Zugang zu wählen, um eine Ära spürbar werden zu lassen, die bis heute nachwirkt und zu selten beleuchtet wird.
"Hinterland": AUT 2020, 99 Min., jetzt im Kino
OÖN Bewertung:
Der Trailer zum Film: