Dieser kriminellen Anti-Heldin ist man nicht böse
Die Oscar-Nominierten Melissa McCarthy und Richard E. Grant brillieren in diesem Kinofilm.
"Du bist ein verdammtes Miststück!" "Du auch, Jack!" Ja, auch so kann tief empfundene Freundschaft und Zuneigung ausgesprochen werden. Zumindest im Fall von Lee Israel und Jack Hock. Die beiden verbindet gleich beim Kennenlernen das gemeinsame Schicksal, nämlich gerade ziemlich am Abstellgleis gelandet zu sein.
Lee Israel (1939–2014) war eine Autorin, deren Erfolg in den 1960er und 70er Jahren auf Porträts von weiblichen Stars wie Katharine Hepburn basierte. Doch der Film von Marielle Heller zeigt Lee ab 1991, als die Tage des Ruhms längst vorbei sind. Bei einer Party ihrer ehemaligen Verlegerin lässt sie ein paar Rollen Klopapier, einige Garnelen und einen wärmenden Mantel mitgehen. In ihrem heruntergekommenen Messie-Appartement in Manhattan schnipst sie tote Fliegen vom Bettpolster, schenkt sich den x-ten Scotch ein und füttert ihre alte, kranke Katze. In dieser kurzen Sequenz verdichtet die Regisseurin das Elend von Lee. Und wie uneitel Melissa McCarthy in diese Figur Tragik, Melancholie und Abscheu legt, ist wunderbar. Allein wie sie mit ihren Mundwinkeln Verachtung zeigt oder mit einem Heben der Augenbrauen fünf Fragezeichen in den Raum stellt, ist große Klasse – sie ist dafür mit dem Oscar als beste Hauptdarstellerin nominiert. Richard E. Grant als schwuler, kleinkrimineller Lebemensch ist ebenso großartig – und als bester Nebendarsteller nominiert.
Lee Israel hat sich ihren Unterhalt mit dem Verkauf gefälschter Briefe von Prominenten verdient – 400 sollen es gewesen sein, bis ihr das FBI auf die Schliche gekommen ist. Dieser Anti-Heldin, dieser notorischen Lügnerin können wir nicht böse sein. Ihre Memoiren – Basis für den Film – berühren.
"Can You Ever Forgive Me?", USA 2018, 106 Min.
OÖN Bewertung: